Post Mortem
wohnte.«
»Isaac ist sich nicht mehr so sicher.« Ich wechselte hinüber zu meinem Mailprogramm und rief die E-Mail aus Bangkok auf.
Sie las den Brief. »Da spricht der hohe IQ, er ist nie zufrieden. Aber lassen wir es mal einen Moment gelten, nehmen wir an, Pattys große Missetat hat sich auf oder in der Nähe der Fourth ereignet, lief aber nicht ganz auf einen Mord hinaus. Heißt das nun, dass sie den Vorfall Tanya gegenüber aufgebauscht hat, weil sie sterbenskrank und nicht mehr zurechnungsfähig war? Und wie sollte das Wissen um ein nicht kapitales Verbrechen dazu führen, dass Jordan umgebracht wurde?«
»Vielleicht meinte Patty mit jemanden umbringen, dass sie ihn mit Rauschgift versorgt hat, woran er gestorben ist«, sagte ich.
»Ihre Dealerei blieb nicht auf ihren Privatpatienten beschränkt? Ja, das würde sie allerdings zu einer Verbrecherin stempeln.«
Sie und Milo schauten mich an.
»Ihr solltet unternehmen, was erforderlich ist«, erklärte ich.
»Okay«, sagte Petra, »zurück zum Weißbrot. Das ist ein Typ, der seinen Lebensunterhalt damit verdient, dass er Musik stiehlt, und vielleicht vertickt er auch Rauschgift. Er kann sich nicht allzu viele Sorgen wegen eines jugendlichen Fehltritts machen, der mehr als ein Jahrzehnt zurückliegt.«
»Was ist denn, wenn tatsächlich ein Mord begangen wurde?«, fragte ich. »Irgendwas, was nie gemeldet wurde und deshalb von Isaac auch nicht gefunden werden konnte. Patty hat nicht direkt mitgemacht, aber sie war an der Vertuschung beteiligt, und das hat ihr jahrelang zu schaffen gemacht.«
»Bevor ich bereit bin, ihr diesen Freibrief auszustellen«, sagte Milo, »warten wir besser ab, ob ihre Pistole zu den Kugeln passt, die aus Leland Armbruster rausgeholt wurden.«
Petra drehte sich vom Bildschirm weg. »Jungs, das klingt allmählich so wie in einem Restaurant, wo man sich aus Spalte A einen Gang aussuchen kann, und nichts auf der Karte macht einen frischen Eindruck. Was ich brauche, ist der konkrete Beweis für eine Verbindung zwischen den einzelnen Beteiligten.«
»Was ist, wenn die Freunde, die Moses Grant in die Notaufnahme brachten, Whitbread/De Paine und Robert Fisk waren?«, fragte ich. »Patty erkannte De Paine aus ihrer Zeit in der Fourth wieder.
Das weckte ihre Schuldgefühle aufs Neue. Kurz danach wurde sie krank, begann sich zwanghafte Selbstvorwürfe zu machen, weil sie damals falsch reagiert hatte, wurde dazu getrieben, die Dinge nicht auf sich beruhen zu lassen. Vielleicht hat De Paine Patty ja auch wiedererkannt. Das hat ihn erschüttert, und er ließ sich nicht mehr blicken. Dann kamen wir vorbei und redeten über die Vergangenheit, und seine Befürchtungen wurden wieder wach.«
»Mommy hat ihm erzählt, dass ihr euch nach Patty erkundigt habt?«, sagte sie. »Aber wie passt Jordan ins Bild?«
»Vielleicht war Jordan an dem, was passiert ist, beteiligt, und sie wusste es. De Paine machte sich Sorgen, dass man sich bei ihm nicht darauf verlassen konnte, dass er dichthält.«
»All die Jahre hat er dichtgehalten«, sagte Milo.
»Ich weiß nicht«, erwiderte ich, »aber wenn De Paine mit Jordan Geschäfte gemacht hat, erklärt das den Tatort. Jordan ließ De Paine in die Wohnung, und De Paine öffnete das hintere Fenster und ließ Fisk herein. Oder De Paine erledigte es vielleicht selber und hatte Fisk zur Unterstützung dabei. Da Jordan so rasch eingenickt ist, wäre es leicht gewesen, ihn umzubringen.«
Petra schlug die Beine übereinander und rieb an einem Knöchel. »De Paine ist so berechnend, aber Jordans Stoff lässt er liegen?«
»Er ist klug genug, vorsichtig zu sein«, erwiderte Milo.
»Für mich sieht es so aus«, sagte sie, »dass es klug gewesen wäre, den Stoff mitzunehmen, Milo. Man hätte als Motiv einen Überfall des Heroins wegen vermuten können.«
Ich sagte: »Aber dann wäre er das Risiko eingegangen, uns zurück zu Jordans Dealer zu führen. Der De Paine hätte sein können.«
»Und wie passt das alles zu Pattys Wohnungswahl? Ich verstehe, dass sie von Jordans Haushaltshilfe zur im Haus wohnenden Krankenpflegerin des alten Mannes mit doppeltem Gehalt gewechselt ist. Aber die gleiche Frage bleibt bestehen: Falls sie wusste, dass De Paine in ein schweres Verbrechen verwickelt war, warum sollte sie dann eine Wohnung von seiner Mutter mieten? Mir ist klar, dass sie weniger als ein Jahr geblieben ist, aber das ist immer noch eine lange Zeit, in der dein Kind einem echt üblen Einfluss ausgesetzt ist.«
Ich
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