Postkarten
Stiefel, jemand lachte, Hust- und Spuckgeräusche. Als erstes waren ihre Hüte zu sehen, dann Köpfe und Schultern, die beim Klettern auf und ab wippten. Loyal sah das glänzende Rinnsal Blut, das bereits aus Cucumbers großen Nasenlöchern rann, wie er den steifen, vor Blut starrenden Lumpen hochhob und tupfte. Keiner konnte seinen richtigen ausländischen Namen aussprechen. Cucumber kam ihm ähnlich genug. Deveaux ließ seine Kippe fallen, trat mit seinem kleinen Schuh darauf, aber der Rauch stieg immer noch auf.
»Man sollte meinen, er könnte sich’ne andere Arbeit suchen, wenn er die Höhe nicht aushält«, sagte Deveaux. »Hab’s satt, diesen roten Rotz zu sehen.« Er sagte es an einer Stelle, wo Berg ihn nicht hören konnte, während er den Kaffeesatz auskippte und die Kanne mit einem Büschel Gras auswischte. Er sprach lauter. »Tagelöhner oben in die Red Suspenders. Akkordarbeiter wissen, wo sie arbeiten.«
Berg und Cucumber hatten zwei Jahre gemeinsam Akkord gearbeitet. Loyal war der Neue, der aus der für Stundenlohn schuftenden Mannschaft zu ihnen gestoßen war. Er hatte mit Deveaux geredet.
»Ich muß mehr Geld verdienen. Spar auf’ne Farm. Steck mich zu den Akkordarbeitern, okay?« Konnte die Unverfrorenheit in seiner Stimme nicht unterdrücken. Ließ Deveaux wissen, daß die Mary Mugg heute zwar noch da war, morgen aber schon verschwunden sein konnte.
»Ich weiß nicht so recht. Die Jungs suchen einander meistens selber aus. Außerdem müßtest du doch mit dem, was du verdienst, gut zurechtkommen - keine Frau, keine Kinder.« Aber er hatte mit ihnen gesprochen, und Berg hatte genickt.
Berg redete normalerweise über seine Zeit auf einer Weizenfarm, Wetter, Boden, Jahreszeiten, erzählte es dem büffelschultrigen Cucumber, und der mürrische Friese murmelte und nuschelte etwas von Booten, Kindern und Heimat. Er hatte einen zweigespaltenen Daumen, ein großes, breites Ding mit zwei schmutzigen Nägeln, die miteinander verwuchsen. Für Loyal Schweigen.
Cucumber bekam von seiner Frau selten genug zu essen, um seinen unablässigen Hunger zu stillen. Er aß Brocken Schweinefleisch, Kekse, Käsekanten und starrte dann hungrig auf ihre belegten Brote in den verbeulten Brotzeitbehältern, schluckte und leckte sich den Mund wie ein Hund beim Picknick. Loyal schenkte ihm einen von den Haferkeksen, die er bei Dave in der Pension kaufte, Old Dave, dem Akkordeon -und Harmonikavertreter, dem es recht gut ergangen war, bis er das Goldfieber bekommen und zu schürfen angefangen hatte. Ein Sturz in betrunkenem Zustand endete mit gebrochenem Becken.
»Was sonst kann man an’nem Samstagabend machen, außer hinfallen und sich den Arsch brechen?« fragte er. Die Beine waren steif wie Metall wieder zusammengewachsen, so daß er ging wie ein Zirkushund auf den Hinterbeinen. Den Rest seines Lebens würde er in der Pension kochen. Er hatte Pinienkerne in die Kekse getan. »Du bist ein wirklich großer Star, ißt gefüllte Oliven und Kaviar.«
Ein paar Tage später fand Loyal den Keks auf einem Felssims vor der Erzkammer. Er sagte sich, Cucumber habe ihn da hingelegt und dann vergessen, aber dann fiel ihm ein, daß Cucumber und Berg auf dem Weg nach draußen leise gelacht hatten, und ein bitteres Wort stieg ihm die Kehle hoch. Nicht gut genug für ihn! Der verfluchte Ausländer.
Cucumber hatte eine Menge absonderlicher Angewohnheiten. Nach der Schicht hielten sie auf dem Weg nach Lemon immer bei Ullman’s Post an, um den Gesteinsstaub mit Bier hinunterzuspülen.
»Bringt mir ein Red Fox mit«, nuschelte Cucumber beiläufig zu den hinten Sitzenden, die aus dem Auto stiegen, und hielt sein Geld in den Hosentaschen mit den Händen fest. Jemand brachte ihm immer eins mit. Und Cucumber nahm das Bier, legte den Verschluß am Rand des Fensterrahmens an und schlug ihn mit seiner feisten Handkante ab, trank das Bier in zwei Zügen, saß anschließend da, als wäre er noch nicht fertig, die leere Flasche zwischen den Oberschenkeln. Dann wieder stürmte er aus dem Wagen und rannte hinein, griff tief in beide Taschen und schleppte eine Kiste Flaschen an.
»Nehmt! Nehmt nur! Beleidigt mich nicht, traut euch, nein zu sagen!«
Und Loyal hatte ihn mit einem Mann raufen sehen, der nicht hatte trinken wollen.
Der Minenboden unten in der Erzkammer war feucht, der zerfurchte Grund voller Fußspuren. Die Felswände glänzten. Ihre Kleider, abgetragener Baumwollköper, hingen in schlaffen Falten. Sie horchten auf das leise
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