Postkarten
auf den Felsen aufschlug.
Cucumbers Stirnlampe krachte gegen die Wand und erlosch. Loyal lag auf dem Rücken, Staub und Gesteinssplitter regneten auf ihn. Berg fluchte, sein Licht streifte hin und her, als er sich umsah. Eine eisige Kälte ergriff Loyal, und er fragte sich, ob sein Rückgrat gebrochen war; er hatte gehört, daß ein gebrochenes Rückgrat keine großen Schmerzen verursachte, man wurde kalt und fühllos. Und konnte sich nicht mehr bewegen. Er wollte nicht versuchen, sich zu rühren. Berg fuchtelte herum, fluchte, leuchtete mit seiner Lampe über das eingebrochene Geröll. Es ertönte ein schreckliches Stöhnen. Loyal dachte, es sei Cucumber, dann wußte er, daß es von der Lüftung kam, weil Tausende Tonnen Gestein auf den Schacht drückten.
»Cucumber. Bist du in Ordnung? Blood?«
»Hab’ mein Schweineschnitzel fallen lassen«, erwiderte Cucumber. »Mein Schweineschnitzel liegt im Wasser.«
Da begriff Loyal, daß die kalte Fühllosigkeit von ein paar Zentimetern eisigen Wassers herrührte, in denen er lag.
»Jesus Christus, wo kommt das verfluchte Wasser her?« In seiner Stimme schwang Panik mit. Er stand auf, schlotterte. Gebrochen war nichts. Das Wasser reichte ihm bis zu den Knöcheln, sein Rücken war triefnaß. Seine Knie schmerzten.
Das Wasser kam von überall her. Es troff und tröpfelte von Decke und Wänden in Tausenden kleiner Tropfen wie Schweiß, rann in Bächen; es quoll aus dem Boden.
»Herr Jesus, Herr Jesus«, stöhnte Cucumber. »Ach, Herr Jesus, im Dunkeln ertrinken. Wasser.«
»Wir wissen nicht, wie schlimm es ist. Da oben könnte alles in Ordnung sein. Vielleicht versuchen sie schon uns rauszuholen.« Bergs Stimme war angespannt, aber beherrscht. Sie hielten den keuchenden Atem an, horchten nach dem klimpernden Geräusch von Hämmern. Der Felsen knirschte. Die schweren Tropfen fielen und fielen, hallten in der vollaufenden Erzkammer wider. Loyal fühlte sich ruhig. Würde er ertrinken oder erschlagen werden? Von dem Felsen.
Berg hatte schon Einstürze mitgemacht. Wußte, was zu tun war. »Wir sparen unsere Batterien. Macht eure Lampen nicht an. Sie halten ein paar Tage.«
»Tage!« würgte Cucumber heraus.
»Ach, du alter Idiot, du kannst einen Einsturz wochenlang überleben, solang du Wasser hast. Und wir haben Wasser. Wir müssen ans höhere Ende der Erzkammer. Damit wir hier aus dem Schlamm rauskommen.«
Sie wateten im Dunkeln durch die Erzkammer, bis sie an dem Ende, wo sie am Morgen gebohrt hatten, einen Streifen trockenes Gestein erreichten. Mit den Händen ertasteten sie, daß der Fleck trockenen Bodens ungefähr einen Meter breit war, kaum genug zum Hinsetzen. Loyal kramte Schnur aus seiner Tasche und markierte die Breite mit einem Knoten. Berg tastete nach dem Werkzeug. Das Wasser stieg allmählich an. Überall um sie herum das Plätschern tropfenden Wassers, ein tödliches Plitsch-Platsch. Das Wasser kroch an den trokkenen Streifen heran.
»Diese Kammer ist zehn Meter hoch. Es braucht verteufelt viel Wasser, bis die voll ist«, sagte Berg.
»Ja, und was sollen wir dann tun, an den Wänden hochkriechen wie eine Fliege und oben bleiben? Herumschwimmen? Wettschwimmen veranstalten? Ich sag’ dir, was wir tun, wir spielen Wasserleiche. Keiner wird uns hier rausholen. Das ist unser Grab, Berg. Ich hab’ dir gesagt, ein dritter Mann bringt Unglück. Jetzt hast du’s!« Cucumbers Stimme war rauh. Er spuckte und kollerte im Dunkeln, als hätte Berg ihn in dieses tödliche Loch gelockt.
Sie standen mit dem Rücken zur Wand, das Gesicht dem Wasser zugewandt. Loyal versuchte, sich nicht anzulehnen. Das Gestein sog einem die Wärme aus dem Leib. Sobald seine Beine sich verkrampften, ging er in die Hocke. Wenn er die Hand ausstreckte, konnte er den Wasserrand ertasten. Die Stunden verstrichen. Cucumber sog und kaute an etwas. Er mußte das Schweineschnitzel gefunden haben.
»Heb dir dein Essen lieber auf. Wir wissen nicht, wie lang wir hier unten bleiben«, sagte Berg. Cucumber schwieg schmollend.
Loyal wachte in ohnmächtigem Schrecken auf, die Beine bis zur Taubheit eingeschlafen, die Knie Holzklötze mit tief hineingetriebenen Keilen. Cucumber grölte etwas - ein Lied - in einer anderen Sprache. Loyal streckte die Hand aus, um das Gleichgewicht zu finden, und langte in drei Zentimeter tiefes Wasser. Es stand bis zur Wand.
»Berg. Ich mach’ mein Licht an. Schau’, ob’s’ne trockene Stelle gibt.« Er wußte, daß es keine trockene Stelle gab. Das
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