Postkarten
hält niemand mehr Kühe oder Hühner.«
Ihre Beete waren kleiner. Sie baute noch immer Tomaten, rote Bete und anderes Gemüse an, aber keine Kartoffeln und keinen Mais.
»Ist so einfach, das Zeug zu kaufen. Wenn ich einen Scheffel voll kaufe, hab’ ich soviel Mais, wie ich brauche, um einen Mais-Bohnen-Eintopf zu machen oder pürierte Maissuppe mit Sahne. Wenn Ray und Mernelle kommen, bringen sie ein Dutzend frische Kolben von’nem Stand an der Straße mit. Drüben auf der ehemaligen Perish-Farm sind ein paar junge Leute aus New Jersey eingezogen. Die haben die letzten Jahre Silver Queen angebaut. Wenn sie sich nicht trennen, wie ich gerüchteweise gehört hab’, und wenn wir keinen kalten Sommer kriegen, kann ich weiterhin bei ihnen kaufen.«
Sie karrte etwas Gemüse hinunter in die Konservenfabrik, wo man ihr gestattete, es wie die gewerblichen Ladungen einzudosen. Ray und einer der Männer vom Holzplatz brachten ihr eine Gefriertruhe und stellten sie in das leere Zimmer, das zweite Schlafzimmer, das sie nie benützte, sondern freihielt für den Fall, daß Loyal heimkäme. Sie versuchte es zwei Jahre lang, mochte jedoch den Geschmack des Gemüses nicht, wenn es im März dick mit Eiskristallen überzogen war. Daraufhin doste sie es wieder ein, und da es weder Keller- noch Speisekammer gab, verstaute sie die Gläser in der ausgesteckten Gefriertruhe. Kaufte Rindfleisch und Geflügel im Supermarkt und jammerte, daß es nach nichts schmeckte.
»Mernelle, weißt du noch, die Hühner, die wir hatten, die waren so gut. Ich stell’ mir grade vor, wie so einer von den großen Hähnen geschmeckt hat, sechs, sieben Pfund schwer, wie er ganz knusprig gebraten mit einer guten Brotfüllung auf der Platte liegt. Da ist einem schon vom Geruch das Wasser im Mund zusammengelaufen. Ich hab’ mein Essen immer gemocht, und ich vermisse vermutlich alles, was wir auf der Farm gezogen haben. Zum Beispiel das Rindfleisch. Dein Dad hat Jahr für Jahr zwei Ochsen zum Schlachten gehalten. Wir hatten zwei große Schlachttage, einen im Oktober und einen Anfang Dezember, sogar während der Depression, als’ne Menge Leute hungerten, hab’ ich Rindfleisch auf den Tisch gebracht. Hab’s eingemacht. Hab’ Rindfleisch gekocht und eingemacht. Nichts ist so zart und gut wie selbsteingemachtes Rindfleisch. Das kriegst du weder für Geld noch für gute Worte. Nichts hat so einen Geschmack. Und auch Wild. Wild haben wir auch immer so gemacht. Loyal, Dub und Dad haben uns immer mit Wild versorgt. Heutzutage kriegen die Leute ein Stück Wild, und was machen sie damit? Sie schneiden es zu ›Wildbret‹ auf und jammern, weil es zäh ist oder talgig. Sie stecken es in die Gefriertruhe. Davon wird’s zäh. So, wie wir’s früher gemacht haben, so war’s immer butterweich, und der Talg ließ sich einfach abschöpfen, wenn man ihn sich nach dem Kochen eine Zeitlang absetzen ließ.«
Der Wohnwagen mit seinen geschickt angelegten Stauräumen und Schränken freute sie. Aber manchmal dachte sie an ihre alte Küche, sieben Schritte vom Spülstein zum Tisch, hin und her den ganzen Tag. Es war Rays Idee gewesen, daß sie einen Wohnwagen mit einem kleinen Ölofen, sanitären Installationen und Strom haben sollte, anstatt zu versuchen, das alte Haus zu heizen, durch das der Wind blies, und sich damit abzumühen, Holz heranzuschaffen. Es war, wie auf Besuch zu sein, morgens in dem schmalen Bett mit den geblümten Laken aufzuwachen und den Sonnenschein wie eine Handvoll gelber Lineale durch die Jalousien fallen zu sehen statt des zerschlissenen Rollos mit den schiefen Flicken und den winzigen Sternen. Die Armlehnen des karierten Sofas waren sauber, und der dazu passende Drehstuhl war bequem zum Zurücklehnen. Der Stuhl stand gegenüber dem Fernsehapparat, den Ray und Mernelle ihr geschenkt hatten, und sie schaltete ihn beim Stricken oder beim Kochen ein, einfach zur Unterhaltung, obwohl die blechernen Stimmen sie immer daran erinnerten, daß keine richtigen Menschen da waren. Sie erfreute sich an dem kleinen Spülbecken aus rostfreiem Stahl in der Küche, dem modernen Kühlschrank mit den Eiswürfelschalen, die sie nie herauszog, außer wenn Mernelle und Ray zu Besuch kamen. »Weil ich nicht an Eis gewöhnt bin«, sagte sie. Loyals Bärenpostkarten lagen in einer Zigarrenkiste im Küchenschrank. Ab und zu erhielt sie noch eine. Der einzige Nachteil des Wohnwagens war der Geruch. Im alten Haus waren ihr nie Gerüche aufgefallen, es sei denn, es brannte
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