PR 2541
warst dem Tod schon fast entronnen, doch nun sinkst du zurück ins große Nichts. Warum wolltest du fliehen, mein Geliebter?«
In ihrer Stimme klang zwar Mitleid auf, doch auch noch etwas anderes. Etwas, das ihn schmerzte. Ein Vorwurf. Er konnte sogar hören, was sie nicht sagte: Du hast zu impulsiv gehandelt, ohne nachzudenken.
Schon früher hatte sie ihm dies oft vorgehalten. In dieser Hinsicht war sie vollkommen anders als er. Sie lebte ihr Leben besonnen und nüchtern; er spontan und aus dem Bauch heraus. In seinen Jahren als Politiker hatte sich das zwar geändert, doch nun, am Ende seines Lebens, war das alte Muster wieder durchgebrochen. Aber konnte man ihm das wirklich vorwerfen?
Zum ersten Mal schaute er sich um. Er trieb in einem bunt leuchtenden kosmischen Nebel. Ein Asteroidenschauer umtanzte ihn. Irgendwo weit vor ihm verwirbelte sich dieser Nebel, ähnlich wie der Rauch einer Kerzenflamme, die gerade ausgeblasen worden war.
»Ich bin einer Verschwörung auf die Spur gekommen, Yvonne«, sagte der Siganese. »Etwas ganz Großes ist im Stardust-System im Gange. Der Sextadimschleier, der entstand, nachdem Icho Tolot die Kartusche in der Halle der tausend Aufgaben berührte ... Ich suchte die alten Anlagen, die den Schleier erzeugten ... Ich fand auch eine Spur.«
Yvonne streckte die Hand aus und streifte den Mond. Die Finger gruben tiefe Furchen in das kalte, tote Gestein.
Wie seltsam, dachte er. Wehmütig kam ihm in den Sinn, dass mit seinem Tod alle Wahrnehmung erlöschen würde. Also suchte er Yvonnes Gesicht. Es war gut, wenn dies das Letzte war, was er sah. Eine Eruption wallte aus der Sonne und umschloss ihr Antlitz, brachte die Augen zum Leuchten.
»Komm zur Ruhe, Vorremar!«, bat seine Frau. »Du musst dich nicht mehr darum kümmern. Deine Schuldigkeit ist getan.«
Doch!, dachte er. Doch, er musste sich kümmern! Vielleicht konnte er durch sein Tun nichts mehr bewirken, aber er musste sich wenigstens selbst darüber im Klaren sein, warum er starb. Das war das Mindeste, was einem lebenden Wesen zustand: wissen, warum es die Ebene der Lebenden verließ, um ins ewige Vergessen einzugehen.
»Ich ging der Frage nach«, sagte er deshalb hartnäckig und in einem Aufwallen von Trotz, »warum es auf dem Aveda-Mond zu dieser gewaltigen Explosion gekommen war, die in den Medien totgeschwiegen wurde.«
Der Siganese fühlte sich leicht, und einer der Asteroiden nahm ihn mit sich auf seiner Reise, die zum Rand des leuchtenden Nebels führte, dorthin, wo er unruhig wirbelte.
»Stell dir meine Überraschung vor, Yvonne, als ich entdeckte, dass dort nicht etwa irgendeine Alttechnologie explodiert war! Stattdessen fand ich eine zerstörte stardust-terranische Halle vor. Ich wusste sofort, dass ich einem Geheimprojekt auf die Spur gekommen war. Es sieht ganz so aus, als wäre es terranische Technologie, die den Schleier erzeugt. Es gibt keine alte mystische Hinterlassenschaft von ES! Verstehst du? Unser Militär riegelt das gesamte Gebiet ab und verheimlicht alles. Es ist eine Verschwörung, Yvonne, eine gewaltige Verschwörung.«
Die ersten Ausläufer des Asteroidenschwarms gerieten in den verwirbelten Bereich. Unter Einwirkung gewaltiger Kräfte detonierten sie lautlos zu tausend Bruchstücken, die zu feinem Staub zermahlen wurden. Dieser geriet in einen Sog und rotierte immer schneller um sich selbst.
Im Randgebiet des bunten Sternennebels erkannte Vorremar ein Schwarzes Loch, das alle Materie verschlang. Es wirkte wie ein gierig schnappendes Maul, das die Wirklichkeit fraß.
Yvonne trat endgültig aus dem Licht der Sonne. Einen Augenblick lang brannten noch ihre Haare, doch die Glut verzehrte sie nicht. Nun umschmeichelte sie sanfteres Sternenlicht, während ihr Gesicht tiefer in die Schatten glitt.
»Was ist nur mit dir geschehen, Vorremar? Wie hat es so weit kommen können?«
»Was soll geschehen sein?«
Weitere Asteroiden barsten ganz in seiner Nähe und wurden gefressen. Sie verschwanden aus dieser Ebene des Seins, als das gierige Schwarze Loch sie aufnahm. Es wuchs und wuchs und packte mit einem seiner Ausläufer die Sonne und absorbierte ihr Licht.
Vor Vorremars Augen wurde es immer dunkler.
Todesdunkel, dachte er.
»Überleg doch, Geliebter«, sagte Yvonne. »Wenn terranische Technologie den Schleier erzeugt haben soll ... wie könnte er dann bestehen bleiben, nachdem die Anlagen durch die Explosion zerstört wurden?« Noch immer schmeichelte ihre Stimme, aber auf eine andere, böse,
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