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PR 2630 – Im Zeichen der Aggression

PR 2630 – Im Zeichen der Aggression

Titel: PR 2630 – Im Zeichen der Aggression Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc A. Herren
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durchgestreckten Beine, während sie sich an die Wände der Gänge pressten. Sie vermieden es, Tokun in die Augen zu sehen, als könne jeder Blickkontakt dazu führen, dass er sie in die Ogokoamo-Fokussierung nahm und sie mit gespiegelter Angst drangsalierte.
    Mittlerweile beachtete Tokun sie kaum mehr.
    Zielgerichtet ging er seines Weges. Immer deutlicher bemerkte er den Einfluss des Calanshans in seinem Leben. Ein guter Einfluss. Der Aggressionstrainer flößte ihm nicht jeden Brocken Wissen gewaltsam ein, er zwang Tokun, sich seine eigenen Gedanken zu machen. Selbst Leitsprüche zu entwickeln, die ihn künftig lenken und begleiten sollten.
    Den Leitspruch Kraft durch Konzentration hatte der junge Dosanthi deshalb bald mit Gelassenheit durch Konzentration ersetzt.
    Tokun Gavang erreichte das Ende des Ganges und trat auf den offenen Balkon. Frische, kühle Luft drang unter seinen Umhang, ließ den Agal-Atimpal frösteln. Der Wind trug ihm die Gerüche der Großstadt zu. Metall, verwitterte Kunststoffe, Abfälle.
    Tokun blieb stehen, sah sich um.
    Die Dunkelheit der Nacht und eine dichte Wolkendecke über Dogeju verhinderten die Sicht in den unendlichen Himmel, in die schrecklichen Weiten der nackten Sterne.
    Selbst als Dauererregter schätzte er die Enge der Kavernen. Leerer Raum erfüllte ihn mit dräuender Angst. Weit weniger zwar als bei ordinären Dosanthi, aber immer noch genug, um dem unangenehmen Anblick jeweils so schnell wie möglich entfliehen zu wollen.
    Er hatte sich bisher in erster Linie im Innern ihres angestammten Zapfenraumers aufgehalten. Er mochte es zwar, fremde Wohnkavernen zu erkunden, aber allein der Gedanke an die Außenwelt, Meloudils Natur, erfüllte ihn mit Unbehagen.
    Nur selten hatte ihn sein Vater auf Ausflüge in die anderen 44 Zapfenraumer mitgenommen, die zusammen die heimliche Hauptstadt des Planeten bildeten.
    Dogeju!
    Tokun atmete vorsichtiger, um seinen Körper nicht durch einen Sauerstoffauftrieb im Gehirn in einen Zustand zu versetzen, in dem er plötzlich Angst ausdünstete.
    Mein ist die Angst, rezitierte er. Ich beherrsche, ich kanalisiere sie. Ich kenne meine Grenzen, und ich kenne meine Ziele.
    Nichts erfüllte Tokun mit größerem Unwohlsein, als Unschuldige mit unkontrollierten Ogokoamo-Ausbrüchen in Angst und Schrecken zu versetzen. Und sie womöglich dadurch in Gefahr zu bringen. Denn wer unvorbereitet von seinem Ogokoamo getroffen wurde, hatte nur noch einen Gedanken: dem Horror entfliehen, die Panik hinter sich lassen. Koste es, was es wolle.
    Tokun hielt den unangenehmen Empfindungen stand, ließ den Anblick der mächtigen Gebäude auf sich wirken. Er schloss die Augen, akzeptierte die Leere um sich. Er rief sich in Erinnerung, dass ihre Wohnkaverne in einem der sechs Zacken in der zweiten Ebene ihres Raumers lag – und damit nicht so weit vom Boden entfernt.
    Es ängstigte ihn aber weniger der Abstand zum Planetenboden als die unglaubliche Höhe, die sich über ihm ausbreitete. Tokun schluckte krampfhaft. Der Wunsch, sich an die Wand ihrer Wohnhöhle zu kleben, verstärkte sich mit brutaler Rücksichtslosigkeit.
    »Meloudil ist nichts anderes als eine gigantisch große Wohnkaverne«, flüsterte Tokun.
    Der kühle Wind wischte ihm die Worte von den Lippen, kaum dass er sie ausgesprochen hatte. Der vertraute Widerhall von Höhlenwänden fehlte. Die Wärme, die Geborgenheit.
    Tokun stöhnte gepeinigt.
    »Meloudil ist meine Wohnkaverne!«, wiederholte er lauter. »Sie nimmt mir meine Gelassenheit nicht. Die Konzentration siegt.«
    Tokun bemerkte, dass er die Luft angehalten hatte. Eine Sauerstoff-Unterversorgung barg ein ähnliches Maß an Gefahr wie Hyperventilation. Der Calanshan hatte viel Wert auf Atemübungen gelegt. Tagelang hatte er Tokun in Situationen unterschiedlich starker Calanda-Aufladungen atmen lassen, damit sein Schüler die perfekte Konzentration erlangte. Nur auf diesem Weg würde er die Ogokoamo-Kanalisierung vollendet beherrschen.
    Der junge Dosanthi entspannte sich. Die Meditation erfüllte ihren Zweck.
    Er öffnete die Augen, blickte in die Tiefe und gleich darauf gefasst in die Höhe. Tokun lächelte. Xoren Ferup wäre stolz auf ihn.
    Er ließ den Blick über die gezackten Bauwerke gleiten. Die Zapfenraumer ragten so weit auf, dass er ihre Spitzen nicht sah. Einzelne Positionslichter schimmerten durch die tief hängenden Wolken. Einzelne Lichtpunkte flogen von Turm zu Turm. Tokun wusste, dass es sich dabei um Schwebeplattformen der Badakk

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