Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
PR 2634 – Terras neue Herren

PR 2634 – Terras neue Herren

Titel: PR 2634 – Terras neue Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
Vom Netzwerk:
Landschaft. Ein leichter Höhenwind bauschte Wolken am blauen Himmel, ihre Schatten glitten langsam über die Hügel in der Ferne. Vor einiger Zeit schien leichter Regen gefallen zu sein. Jedenfalls roch es nach feuchter Erde und Gras. Auch der süße Duft von Blumen hing in der Luft.
    Reginald Bulls Leichnam lag aufgebahrt im Sonnenschein.
    Schmetterlinge flatterten über ihm. Es war ein friedvoller Anblick, ein sanfter Hauch von Ewigkeit, und doch waren diese Schmetterlinge nur Roboter. Henrike Ybarri sah, dass sie letzte verkrustete Kleidungsreste abschälten und die darunter zum Vorschein kommenden Wunden kosmetisch behandelten.
    Rings um den Kopf des Toten saßen die Schmetterlinge zu Hunderten. Sie hatten ihre Flügel zusammengelegt und öffneten sie nur hin und wieder, sobald sie ihre Position veränderten. Es war keineswegs Zufall, dass die Roboter Schmetterlingsgestalt hatten, denn die Schmetterlinge waren in den letzten Jahrhunderten zu einem Symbol für den Frieden und für ES avanciert, in Erinnerung an die Schmetterlinge von Talanis.
    Erst als sie sich dem Toten weiter näherte, erkannte Ybarri, dass die Roboter Bulls zerschmettertes Gesicht restaurierten. Sie hatte das Bild in Erinnerung, das ihr aus Mexico City übermittelt worden war. Die Schmetterlinge mussten vielleicht noch einen halben Tag arbeiten, schätzte sie, dann würde Reginald Bull aussehen, als schliefe er nur.
    Mit jedem Schritt, den sie sich dem Leichnam näherte, wurde es kühler, als wäre der Winter über das Land hereingebrochen. Der Tote lag unter einem frostigen Konservierungsfeld.
    Leb wohl, Bully!, flüsterte Henrike Ybarri in Gedanken. Sie verstand nach wie vor nicht, warum das geschehen war. Wieso bist du nach Mexiko gegangen? Als wir zuletzt miteinander sprachen, fiel kein Wort davon. Wer hat dir das eingeredet, Bully? Nein, ich weiß, du hast dir nie etwas einreden lassen, hast dich immer nur nach deiner Überzeugung gerichtet.
    Neben der Bahre standen vier Stühle. Am Kopfende des Sarges brannte eine einzelne große weiße Kerze. Die Flamme flackerte leicht; der Temperaturunterschied sorgte für einen schwachen Luftzug.
    »Warum gibt es hier nur Sitzgelegenheiten für Humanoide?«, schnaubte Chossom.
    Ybarri funkelte den Fagesy zornig an.
    »Halt den Mund!«, sagte sie heftig. »Hier ist ein Ort des Friedens. Wenn dir das nicht passt, geh!«
    »Du hast mir keine Befehle zu erteilen, Terranerin.« Der Fagesy richtete sich ruckartig auf, er überragte die Frau um gut einen Meter.
    »Chossom!« Schneidend stach Marrghiz' Stimme durch die Halle. »Ybarri hat recht. Halte dich an ihre Sitten.«
    »Sie sind Laterale, nicht anders als du.«
    »Noch ein Wort, und ...« Marrghiz verstummte. Sekundenlang kaute er auf seiner Unterlippe und taxierte den Toten.
    Gleich darauf wandte er sich an Ybarri und Draft. »Bitte verlasst den Raum. Chossom und ich wollen mit dem toten Residenten allein sein.«
    »Was habt ihr vor?« Eine steile Unmutsfalte entstand auf Ybarris Stirn. Misstrauisch blickte sie den Sayporaner an. »Ich dulde nicht ...«
    »Wir werden nichts tun, was den Leichnam schänden würde. Bitte, Ybarri. Wenn du willst, dass es keine Probleme gibt, dann geh.«
    Sie zögerte, schaute von Chossom zu Bull und zurück.
    »Komm!«, sagte der Innenminister und zog sie einfach mit sich. »Ich denke, es ist besser so.«
     
    *
     
    Chossom hatte sich auf dem Boden niedergelassen und schwieg.
    Trotzdem spürte Marrghiz, dass der Fagesy ihn genau beobachtete. Allem, was der Sayporaner tat, folgte Chossom mit Akribie.
    Er hatte die hauchdünn geflügelten kleinen Roboter weggescheucht. Zu Hunderten saßen sie nun auf dem nahen Strauch, der als einziger Bestandteil der verlogenen Landschaft real war. Wie ein Blütenmeer überzogen sie die dünnen Äste.
    Marrghiz unterzog den Leichnam einer flüchtigen Untersuchung. Ihm gefiel nicht, was er sah, trotzdem konnte er nichts daran ändern. Der Resident war tot – wenn es wirklich Reginald Bull war.
    Zweifel waren angebracht. Mittlerweile hatte er viel über die Tricks der Terraner gelernt. Ihnen zu vertrauen hieß zweifellos, unnötige Risiken einzugehen.
    Er zog das handflächengroße Analysegerät aus der Tasche und nahm mehrere Gewebeproben.
    »Glaubst du, dass sie uns betrügen?«, fragte Chossom.
    »Ich hoffe, nicht.«
    »Das heißt, du weißt es nicht.« Der Fagesy lachte spöttisch.
    »Fortschreitender Gewebezerfall«, stellte Marrghiz kurz darauf fest. »Der Zustand der Zellen

Weitere Kostenlose Bücher