PR 2634 – Terras neue Herren
Ihn interessierte ihre Reaktion. Ybarri zweifelte nicht daran, dass der Sayporaner schon lange über die geforderten Kodes verfügte. Sein Assistent Fydor Riordan hatte ihm die wichtigen Daten längst besorgt.
»Ich gebe dir alle Zugangskodes«, sagte sie.
Es war 0.40 Uhr. Mit diesem Satz gehörte die Solare Residenz endgültig den Sayporanern.
*
Der kleine Saal in dem öffentlich zugänglichen Flügel der Solaren Residenz war zu annähernd zwei Dritteln besetzt. Marrghiz hatte zur Pressekonferenz gebeten, doch keineswegs jeder der Eingeladenen war erschienen.
Phaemonoe Eghoo wartete vergeblich auf eine Reaktion des Sayporaners. Es schien ihn nicht zu interessieren, zumindest erweckte er diesen Eindruck.
»Zwölf Uhr«, sagte er. »Wer nicht gekommen ist, hat keine Ansprüche an seine Heimatwelt. Stell mich diesen Leuten vor!«
Eghoo machte eine kurze Anmoderation. Es war anders als sonst. Sie bemerkte, wie schwer es ihr plötzlich fiel, die richtigen Worte zu finden. Schlimmer noch, den Ton zu treffen.
Etliche drohende Blicke galten ihr. Sie versuchte, das zu ignorieren, schaffte es aber nicht. Ein Kollege, den sie seit Jahren schätzte, machte eine unmissverständliche Handbewegung, als sie ihn in einer der vorderen Reihen entdeckte: Demonstrativ fuhr er sich mit der Handkante über die Kehle.
Sie war über Nacht zur Verräterin geworden. Niemand würde ihr glauben, dass dem nicht so war, dass sie lediglich die Gelegenheit ergriffen hatte, mehr über die Invasoren herauszufinden. Sie hätte es sich nie verziehen, wäre ihr diese Chance zwischen den Fingern zerronnen.
Sie übergab das Wort an Marrghiz.
Totenstille herrschte. Etwa achtzig Leute waren versammelt. Trotzdem hätte man die berühmt-berüchtigte Nadel hören können, sobald sie fiel.
»Ich finde es enttäuschend, dass so wenige Journalisten Interesse für die Entwicklung ihrer Heimatwelt aufbringen«, sagte Marrghiz. Es klang ein wenig gestelzt. »Gerade deshalb erwarte ich, dass die Anwesenden rege von der Möglichkeit Gebrauch machen, Fragen zu stellen.«
Gefühlsmäßig war die Luft zum Schneiden. Niemand fragte. Die Ablehnung war greifbar. Phaemonoe Eghoo wäre nicht erschrocken, hätte jemand eine Waffe auf das Podium gerichtet und abgedrückt. Ein kleiner handlicher Nadler mit Explosivgeschossen genügte ... Aber die Besucher waren gescannt worden. Nichts, was auch nur entfernt an eine Waffe erinnert hätte, wäre jetzt noch da gewesen.
»Leider kann ich nicht erkennen, wo die Ursache dafür liegt, aber ich bedaure, dass es zu Missverständnissen gekommen ist«, fuhr Marrghiz fort. »Vielleicht können wir gemeinsam diese Probleme ausräumen, es würde mich freuen. Terra ist eine besondere Welt, die es mit ihren Bewohnern verdient hat, in eine gute Zukunft zu gehen.«
»Das liegt nicht an uns«, ertönte ein Zwischenruf.
»Sondern?«
Schallendes Gelächter wurde laut, wie auf ein unhörbares Kommando.
»Ich verstehe«, sagte Marrghiz nach einer Weile, in der das Lachen nach und nach aufhörte. »Ihr wollt eure Verachtung ausdrücken. Das werde ich wohl akzeptieren müssen. Eigentlich habe ich zu dieser Konferenz eingeladen, weil ich die Zusammenarbeit anbiete. Ich bitte um euer Vertrauen. Wir können unsere Kräfte bündeln und gemeinsam erfolgreich werden. Wenn wir gegeneinander arbeiten, behindern wir uns nur und werden es schwerer haben, die wichtigen Ziele zu erreichen.«
Worthülsen, nichts Greifbares, so empfand es die Redakteurin. Vor allem, weil Worte und Taten nicht zueinanderpassten.
Während des frühen Morgens waren von jedem der drei gelandeten Ovoidraumer an die fünftausend Fagesy ausgeschleust worden. Seit Stunden erkundeten die Seesternwesen Terrania. Sie flogen mithilfe dünner, leicht gewölbter Tragflächen, an denen sie ihre biegsamen Arme verankert hatten. Selbst in den äußeren Stadtteilen waren sie inzwischen gesehen worden.
Letztlich demonstrierten sie Präsenz, überwachten ihren neuen Besitz. Fünfzehntausend Fagesy, angesichts einer Gesamtbevölkerung von rund 120 Millionen im Großraum Terrania eine eher verschwindend kleine Anzahl, aber Eghoo hoffte, dass es dennoch nicht zu gewalttätigen Übergriffen kommen würde.
So, wie sie selbst eine wachsende Gewaltbereitschaft spürte, erging es inzwischen wohl vielen Terranern. In den Infonetzen wurden schon Vergleiche zum Dscherro-Desaster gezogen und auf andere vergleichbare Ereignisse hingewiesen. Manches davon klang bereits wie eine
Weitere Kostenlose Bücher