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PR 2635 – Jagd auf Gadomenäa

PR 2635 – Jagd auf Gadomenäa

Titel: PR 2635 – Jagd auf Gadomenäa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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sich erschrocken halb auf, stemmte sich in die Höhe und hörte ein gewaltiges, hallendes Ächzen. Unter ihm hoben sich Fels und Sand. Von allen Richtungen und von der Lichtschale kamen knarrende und knirschende Echos. Die Bewegung, mit der auch sein Körper in eine andere Lage gebracht wurde, hörte ebenso plötzlich auf, wie sie begonnen hatte. Es dauerte nur Sekunden, bis er verstanden hatte, was er soeben erlebt hatte.
    Die Onuudoy hat sich aufgerichtet. Der Boden ist wieder waagrecht. Die Wasseraufnahme ist beendet. Die große Scholle hat die Ecke aus dem See gehoben. Vielleicht ist der See leer gesogen worden – aber vielleicht nicht ganz.
    Als ein leichter Ruck Routh wieder nach hinten kippen ließ, verstand er, dass sich die fliegende Landschaft in Bewegung gesetzt hatte. Wie schnell die Fortbewegung war oder ob sie sich in den nächsten Stunden änderte, würde er nicht feststellen können.
    Seine Müdigkeit war verflogen. Aber er hatte keine Wahl. Die Finsternis, der er ausgeliefert war, blieb. Noch ungefähr acht Stunden lang. Das Ächzen hatte aufgehört, die Geräusche des Abkühlens waren unwesentlich geworden.
    Routh war kein Draufgänger, kein Pionier, kein Mann der Wildnis; sein Mut beschränkte sich auf eine großstädtisch-technische Umwelt. Mit hämmerndem Herzschlag ließ er sich zurücksinken und hoffte, dass er trotz der Aufregung bald Schlaf finden würde. Minute um Minute verging, ohne dass laute Geräusche oder weitere Erschütterungen des Bodens stattfanden.
    Mitten in dieser Erwartung schlief er ein.
     
    *
     
    Mit der rechten Hand packte er das linke Handgelenk, das sich wie die Finger und der Handteller verkrampft hatte. Er drehte die Hand, der Handteller wies nach oben – Puc. Aktiv! –, und das Implantmemo zeigte sich in gewohnter Miniaturgröße. Zugleich fühlte Routh stechende Schmerzen in den Schläfen.
    Es ist noch immer eine Wunde in deinem Hirn, erklärte Puc. Für meine Betriebstüchtigkeit hast du – du erinnerst dich? – eigene Hirnsubstanz spenden müssen. Ich habe keine Informationen darüber, wie sich das Fehlen von Hirnzellen bemerkbar macht. Aber du solltest mit dem Schlimmsten rechnen.
    Der Schmerz nahm zu. Die Augen tränten. Während der letzten Wörter begann Puc zu wachsen, erreichte die Größe eines Fingers, wuchs weiter und verließ seinen Platz. Sand und Geröll in einigen Metern Entfernung bewegten sich; es schien, als kämen Gase mit großer Kraft aus dem Untergrund und ließen das Material förmlich brodeln. Puc stellte das leere Cocktailglas auf den Bartresen, der aus der Luft ins Bild ragte, und ging, ohne Routh zu beachten, auf das bewegte Feld zu.
    Das Geröll und der Sand verschoben sich und kondensierten. Sie formten die Halbplastik eines Gesichts, ungefähr drei Meter im Durchmesser. Wie mit glühenden Nadeln stachen die Schmerzen im Inneren von Rouths Schädel und drohten ihn zu sprengen. Die nackte Angst griff nach Routh. Er sah, wie jenes humanoide Sandgesicht die Lippen weit öffnete. Die Augen traten hervor und richteten sich auf Puc, der auf die Vertiefung zuschlenderte. Aus der Mundöffnung wurde ein Loch, das sich zu einem Trichter verformte.
    Routh versuchte trotz der Schmerzen zu unterscheiden, ob er albträumte oder ob das Geschehen in der Realität stattfand. Dann erkannte er das sandgeformte Gesicht.
    »Mein ... eigenes Gesicht!«, schrie er auf. »Das bin ... ich selbst!«
    Puc trat auf das Kinn, zögerte und drehte sich halb um. Er winkte Shamsur Routh, machte einen großen Schritt und versank lautlos im Trichter zwischen den Lippen. Langsam schloss sich der Sandmund.
    Rouths entsetzter Schrei verhallte in dem purpurnen Licht, das die Szene in eine schauerliche Dämmerung tauchte. Im gleichen Halbdunkel nahm er am Horizont einen Wald aus Bäumen oder anderen Gewächsen wahr, die nichts, das er jemals gesehen hatte, ähnlich sahen. Es konnten abenteuerlich geformte Pilze sein oder ebenso exotische Kakteen. Gegen den dunkelblauen Sonnenuntergang zeichneten sie sich deutlich ab; sie waren riesenhaft. Über ihnen drehte mit langsamem Flügelschlag ein Schwarm Kraniche seine Runden.
    Wieder vermengten sich mit dem auf- und abschwellenden Schmerz und der Verzweiflung grelle Flashbacks der Erinnerung. Bilderfolgen aus Anicees Kindheit suchten ihn heim, das Gefühl der Zusammengehörigkeit und der liebevollen Zufriedenheit, die das Leben von Vater und Tochter auszeichnete, kollidierte brutal mit Anicees offensichtlicher

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