PR 2635 – Jagd auf Gadomenäa
schwierigen Weg zum Regulatorium, das Routh irgendwo in der Mitte der fliegenden Landschaft vermutete.
Während er sich bemühte, sein Schritttempo beizubehalten, verteilten sich seine Gedanken auf seine Tochter und deren Mutter. Henrike hatte sich in Routh verliebt, damals, nach ihrem Aufenthalt in Luna City auf dem Trabanten Terras, in einen ebenso herausragenden Journalisten wie sie selbst.
Die Entfremdung zeichnete sich schon in Anicees Kindheit ab; nach der zweiten Wahl zur Ersten Terranerin zog Henrike Ybarri offensichtlich jede Hyperinpotronik als Gesprächspartner dem eigenen Gatten und später auch ihrer jüngeren Tochter vor. Anicee hatte von ihrer Mutter nicht nur den Ehrgeiz und vielfache Fähigkeiten geerbt, sondern auch jene kühle Selbstständigkeit, die von der Sturheit nicht allzu weit entfernt war. Toleranz und das Talent zur Freundschaft, über die Shamsur Routh – seiner Meinung nach – in reichem Maß verfügte, schienen Anicees Sache nicht zu sein. Oder sie verbarg diese Fähigkeiten bewusst und geschickt.
Zwischen den stumpfschwarzen Steinbrocken lebten zwei fingerlange, stachelbewehrte Würmer, die sich vor Rouths Schritten blitzschnell in Sicherheit brachten. Wenn die Tiere wie Geschosse gegen seine Stiefel prallten, zuckten Schmerzen durch Füße und Unterschenkel Rouths. Schon drei Mal war er auf Steine getreten, die unter seinem Gewicht zur Seite kippten oder zu griesigem Sand zerfielen. Wenn er sich das Fußgelenk verstauchte, würde er humpeln müssen oder nicht mehr weitergehen können.
Jeder Aufprall der Stachelwürmer hinterließ einen weißen, stinkenden Fleck auf dem Material der Stiefel. Die Schienbeine waren voll klebrigem Kleister. Routh kletterte den Hang einer Düne hinauf und befand sich jetzt auf einer Felsplatte, die von handbreiten Sprüngen durchzogen wurde.
Aus Löchern und Spalten wuchsen unterarmlange Pflanzen, hart wie Metall, mit Stacheln und klettenartigen Früchten. Von links, von einer tiefer gelagerten Fläche hinter jungen Riesenpilzen, kam der nicht identifizierbare Lärm eines Kampfes oder anderer aufregender Tätigkeiten.
Routh ging vorsichtig weiter und vermied jene Stellen, die er als gefährlich einstufte. Die Hitze wurde nicht geringer, das grelle Licht ließ die Augen tränen. Das Haar klebte schweißnass auf seiner Stirn.
Shamsur Routh hatte sich niemals der Illusion hingegeben, er wäre ein Kämpfer, ein sportlicher Mensch oder auch nur ansatzweise ein Mann kühner Entschlüsse und Taten. Er wusste, dass er nicht ungeschickt war, aber seine Stärke bestand darin, Gesehenes und Erlebtes in interessante Texte umzusetzen. Schon in der Kälte der Randzone dieser Onuudoy sah er sich vor das Problem gestellt, die Geschwindigkeit seines Gewaltmarsches richtig zu wählen. Schlendern oder rennen? Entschlossen marschieren oder durch die Wüste hetzen?
Würde er rennen oder ein zu hohes Tempo wählen, wäre er spätestens bei Sonnenuntergang völlig erschöpft und müsste wahrscheinlich einen Tag aussetzen. Sein Wasserverbrauch wäre selbstmörderisch hoch – und sein Tank sehr bald leer, trotz des Umwandlers. Er brauchte kein geübter Wüstenwanderer zu sein, um zu wissen, dass nur ein vernünftiger Umgang mit seinen Kräften ein Überleben sicherte. Aber ...
Wie lange dauerte die Fahrt oder der Flug der Onuudoy? Zwei Tage und Nächte? Drei oder mehr? Konnte er, wenn er das Regularium fand, den Flug beschleunigen oder verlangsamen?
»Ich habe nicht die geringste Ahnung!«, gab er in einem seiner häufigen Selbstgespräche zu. »Und bin ich erst einmal glücklich am Ziel, fängt die Suche nach Anicee erst richtig an!«
Anicee. Sie war längst nicht mehr »Shamsurs liebes Mädchen«. Obwohl sie bei Routh aufgewachsen war, sorglos und behütet, bewies sie trotz gegenseitiger Zuneigung, dass sie zielstrebiger war, als alle vermuteten, die sie kannten.
Trotzdem oder gerade deswegen: Unverändert fühlte Routh seine Verantwortung für Anicee. Die Ungewissheit folterte ihn. Niemand sonst konnte ihr helfen. Nur er. Ein stellarer Abgrund trennte Anicee und ihre Mutter. Aber: Nur ein Meer und überschaubare Entfernungen auf dem Land trennten Shamsur und Anicee. Er glaubte, trotz ihrer ablehnenden Haltung, trotz der scheinbaren oder wirklichen Gefühlskälte seiner fast erwachsenen Tochter, neu formatiert oder nicht, in ihren Augen einen dringenden, stummen Hilferuf erkannt zu haben.
Er zuckte die Achseln und blickte nach links. Inzwischen hatte er eine
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