PR 2656 – Das Feynman-Kommando
Schläfe der Frau.
Eghoo lag regungslos da, mit offenen, gebrochenen Augen.
Mit einer sanften, femininen Stimme, die Noor diesem Gerät, das jahrelang stumm und unbeachtet an der Wand geklebt hatte, nicht zugetraut hätte, sagte die Box:
»Es liegt eine Fraktur des Dens Axis vor. Der Riss der Bänder hat das verlängerte Mark des Hirnstamms sowie das Rückenmark durchtrennt. Die Nervenzentren für Blutkreislauf und Atmung sind irreparabel zerstört.«
Riordan hatte die Box gewähren lassen. »Die Münze«, wiederholte er seine Aufforderung an die Ferronin. »Willst du so freundlich sein, Ve?«
Endlich löste sich die schweigsame Ferronin aus ihrer Verzauberung. Sie trat ein paar Schritt hervor und hob die Silbermünze auf. Das Bild des Drachen war blutbefleckt.
»Und?« Riordan erhob sich. Er warf weder der Leiche noch den umstehenden Mitarbeitern des Netzwerkes einen Blick zu. »Wie war es? Sag's mir doch. Oder ist es ein Geheimnis? Wir werden doch keine Geheimnisse voreinander haben?«
»Es war ...«, flüsterte Kekolor und hob in einer Geste der Sprachlosigkeit, des schieren Überwältigtseins beide Hände.
Riordan löste ihr die Münze aus den Fingern der erhobenen Hand.
Noor und die anderen standen wie erstarrt.
»Sag«, forderte er sie auf. »Wir sind alle neugierig,« Er lächelte leutselig in die Runde und zwinkerte einem der Männer vertraulich zu. »Sag. Was hat sie gedacht währenddem? «
»Wie ein Licht, das sich umkehrt«, flüsterte Kekolor. »Als ob die Zeit umgegossen würde in ...«
»... Ewigkeit?«, half Riordan aus und zog eine enttäuschte Schnute. »Das klingt, sei nicht böse, etwas abgeschmackt. Ich hatte mir ein wenig mehr versprochen. Etwas – wie soll ich sagen: Wissenschaftlicheres.« Er wandte sich den Journalisten zu. »Sie ist Telepathin. Ich wollte wissen: Wie ist dieser Moment, dieser letzte? Wie fühlt es sich an, von innen?«
»Ein andermal«, versprach Kekolor.
»Gut«, sagte Riordan. »Ein andermal.«
Fydor Riordan nickte und wandte sich zum Gehen. Die Ferronin folgte ihm auf dem Fuß. Als Riordan an Noor vorüberkam, fasste sie ihn am Oberarm. Er blieb stehen.
Natürlich musste sie nun fragen, warum er das getan hatte.
Aber es war ihr nicht möglich, ein Wort über die Lippen zu bekommen. Riordan löste mit einer sanften Berührung ihre Hand von seinem Arm. Sie hätte erwartet, etwas Unmenschliches zu spüren, einen eisernen Griff, eine eisige Haut.
Fydor Riordans Haut war warm und weich. Noor roch den Hauch eines herben, aber angenehmen Aftershaves.
Noor stand da mit hängenden Schultern, eine Marionette, an deren Fäden niemand zog.
»Auf Wiedersehen«, sagte Riordan freundlich.
Dann verließ er mit der Ferronin den Raum.
Einer der beiden TARAS folgte ihm ohne das leiseste Geräusch.
Der andere untersuchte das technische Gerät, die Schreibtische, die Schränke der Redaktion. Er brauchte keine zwei Minuten, dann hatte er die Mediofolie im Holosender gefunden.
Die Leiche ließ er liegen.
13.
An Bord der TOLBA
24. November 1469 NGZ, 14.30 Uhr
Die beiden Menschen hatten die Zentrale der TOLBA betreten, als wären sie an diesem Ort daheim. Eine junge Frau, sehr hübsch; ein Mann. Der Mann war unauffällig. Der Frau saß eine schwarze Katze auf der Schulter, das seidige Fell schimmerte fast unwirklich rein. Die grünen Augen des Tieres fixierten Shanda Sarmotte nur kurz, verloren dann das Interesse und wandten sich ab.
Toufec stellte sie vor: »Das sind Clara Esleve und Duncan Talbot.«
»Setzen wir uns doch«, lud Delorian ein. Fünf weiße Stühle wuchsen aus dem Boden der Zentrale und bildeten einen kleinen Kreis.
Sie nahmen Platz.
Die Katze sprang von der Schulter auf den Schoß der Frau. Die Frau kraulte das Tier wie selbstvergessen. Sarmotte versuchte sie zu lesen, wunderte sich aber nicht, dass sie nichts fand.
Talbot räusperte sich leise. Sarmotte hatte den Eindruck, als hätte der Mann sich kurz bei Toufec, dann bei Delorian versichert – worüber?
Talbot sagte: »Ich leite das Feynman-Kommando. Du möchtest wissen, worum es bei diesem Kommando geht?«
Sie nickte.
Talbot hob die Schultern. »Wir bekämpfen die Nanowaffe der Fagesy.«
Sie nickte erneut. Ihr Schweigen brachte ihn wohl aus dem Konzept.
»Vielleicht möchtest du wissen, wie wir das machen?«
Sie nickte. Diesmal mit einem freundlichen Lächeln.
Ein Anflug von Erröten huschte über Talbots Gesicht. »Wenn du mich lesen willst«, bot er ihr an, »mach dich bereit
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