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PR 2662 – Kaowens Entscheidung

PR 2662 – Kaowens Entscheidung

Titel: PR 2662 – Kaowens Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arndt Ellmer
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überlasten. Das funktionierte aber nur ein paar Sekunden lang.
    Kaowen beobachtete noch immer den Adjutanten. Es war Angst. Lywena klammerte sich an der Sessellehne fest. Das tätowierte Auge glotzte zur Decke oder ins Nichts.
    In Stresssituationen lernte man andere Wesen erst richtig kennen. Kaowen hatte das in den ersten Wochen seiner Ausbildung verinnerlicht. Nun bewahrheitete es sich wieder. Hinter der Unauffälligkeit und Durchschnittlichkeit des Adjutanten verbarg sich Angst. Das tätowierte Auge – früher ein weitverbreiteter Modegag – diente Lywena dazu, seine Schwächen zu überdecken.
    Der Steuerautomat der Projektoren lieferte ein Kontaktsignal.
    »Maximaler Zugriff!«
    Unsichtbare Projektionsstrahlen griffen nach der KOLLARON DREI. Ein leichter Ruck ging durch das Flaggschiff, als der Zapfen im Traktorfeld festsaß. Kaowen beobachtete winzige Eruptionen entlang der Strahlenwege.
    »Vorsichtig!«, mahnte er und spähte zur wissenschaftlichen Abteilung hinüber. Dort wuselten Badakk hin und her, rutschten hektisch über ihre Sitzstangen und fanden sich zu Siebenergruppen zusammen. »Sind das Interferenzen?«
    Die Antwort der Wissenschaftler ließ nicht lange auf sich warten. »Es sind Interferenzen«, antwortete einer. »Interferenzen mit dem Hypersturm.«
    Die Xylthen als Soldaten und Raumfahrer QIN SHIS kannten sich mit den Phänomenen der Do-Chan-Za-Materiebrücke gut genug aus, um die Aussage richtig einzuschätzen. Jeden Augenblick konnte es in der Nähe der beiden Schiffe losgehen, genau so, wie die Hyperausbrüche in der Werft das Verderben angelockt hatten.
    Kaowen spürte mit einem Mal auch in sich selbst eine Portion Nervosität. Sie kroch den Magen hinauf bis in den Rachen. Es kitzelte und juckte. Hastig griff er nach einem der Getränkespender und zog ihn zu sich heran. Er schluckte Desinfektionsöl, und das Brennen ließ sofort nach.
    »Überlichtmanöver einleiten!«, forderte er dann.
    »Nicht möglich, Protektor!«
    Die RADONJU hatte die erforderliche Mindestgeschwindigkeit für das Linearmanöver unterschritten. Und sie verlor weiter an Fahrt.
    Die Raumkrümmung war stärker als Kaowen. Die beiden Schiffe entfernten sich voneinander. Die Anzeigen der Projektorbelastung schnellten in den roten Bereich. Hohe Anziehungskräfte begannen auf die RADONJU zu wirken und zogen sie in Richtung Schlund.
    »Protektor!«
    Kaowen zögerte noch immer.
    »Protektor, es ist sinnlos!«
    Keiner seiner Untergebenen wagte einen solchen Einwand, nur der Adjutant. Lywena hatte sich diese Position einer Schnittstelle zwischen Besatzung und Beschützer angeeignet, ohne zu fragen. Wen der Protektor beschützt, den beschützt auch Lywena. Kaowen begegnete diesem und ähnlichen Sprüchen immer wieder. Der Adjutant hatte es geschafft, so etwas wie einen Mythos um sich aufbauen.
    »Noch ist nicht alles verloren«, sagte Kaowen. »Mach dich bereit für den Einsatz! Du wirst das Rettungsboot fliegen.«
    Gleichzeitig mit diesem Satz blockierte er die Automatik aller Hangarsysteme. Boote konnten jetzt nicht mehr ausschleusen.
    Lywenas winzige Nasenöffnung verschwand zwischen den Hautlappen. Der Adjutant hielt die Luft an, vor Schreck zunächst, dann aus Verwirrung, bis er endlich begriff.
    Wie Kaowen ihn einschätzte, würde die Lektion nicht lange sitzen.
    Die Anzeigen für die Schirmbelastung wechselten ebenfalls auf Rot. Zu wenig Energie. Der Protektor schätzte, dass ihnen nur noch ein paar Augenblicke blieben, die über Leben und Tod entschieden.
    Der Sog wurde stärker. Die energetischen Verbindungen zwischen den beiden Schiffen rissen. Die Notabschaltung der Traktorprojektoren griff ein. Die Automaten lenkten die Energie zurück in das Schirmsystem und in den Antrieb.
    »Volle Beschleunigung!«, ordnete Kaowen an. Die Gravitationskräfte zerrten mit aller Macht an der RADONJU.
    Keiner widersprach. Die 3500 Mitglieder der Besatzung waren froh, dass er die Verantwortung in einer solchen Situation auf sich nahm.
    In den untergeordneten Sektionen des Schiffes ging das Licht aus, um Energie zu sparen. Das bläuliche Glimmen der Notbeleuchtung reichte für Xylthen aus, um sich zu orientieren. Badakk und Dosanthi blieben in solchen Situationen besser, wo sie waren.
    Kaowen schickte einen letzten Funkspruch an die KOLLARON DREI. »Macht es uns nach!«, befahl er. »Viel Glück!«
    Eine Bildverbindung mit der Zentrale des Schiffes gab es nicht mehr. Entsprechend wunderte sich Kaowen nicht, dass keine Reaktion erfolgte.

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