PR 2665 – Geheimnis der Zirkuswelt
gab die traditionelle, nach einem strengen Patriarchat ausgerichtete Grundhaltung, die insbesondere von Alten und Angehörigen der Adelsfamilien am Leben erhalten wurde. Bei ihnen wäre es niemals möglich gewesen, dass eine Topsiderin eine solch wichtige Funktion zugeteilt erhielt – und wenn, hätten es diese Kreise als ungeheure Anmaßung empfunden, im Beisein eines älteren und unzweifelhaft stärkeren Topsiders das Wort zu ergreifen.
Nein, die beiden gehörten nicht dieser Gesellschaftsschicht an. Sie gehörten zur neuen Strömung, wie sie nach dem Abzug TRAITORS gebildet worden war. Damals hatte eine Reorganisation der Machtstrukturen stattgefunden, ausgelöst durch einen erstaunlichen Mentalitätswandel. Die drei Machtblöcke Orion-Deltas, die nach der Monos-Ära durch ein Triumvirat geführt worden waren, rückten schon vor der Invasion TRAITORS nicht nur näher zusammen, sondern es fand sogar eine politische Annäherung zur LFT statt, von der das Reich der Topsider praktisch eingeschlossen war.
Nuggnugg empfand die Entwicklung als logisch und eigentlich unausweichlich. Jedes Volk besaß seine Eigenschaften, seine Vor- und Nachteile. Wie in einem Zirkus sollte auch die Völkergemeinschaft unter den Sternen eher von einem Mit- als von einem Gegeneinander getrieben sein. Ein Bauer, der auf Monokulturen setzte, ging das Risiko ein, dass er durch Schädlingsbefall oder wegen einer Veränderung in seiner Existenz bedroht wurde.
Ebenso verhielt es sich mit den Völkern der Milchstraße. Ein Miteinander war zwar immer schwieriger durchzusetzen als ein Alleingang, aber am Ende gewann immer die flexiblere und damit stärkere Gemeinschaft.
»Man nennt mich Nuggnugg«, sagte Nuggnugg schließlich.
Tork-Trak wiegte den schweren Schädel. »Da ich noch nie von einem Herkunftsort namens Nugg gehört habe, gehe ich davon aus, dass dies ein Spitz- oder Kosename ist, den du trägst.«
Nuggnugg ließ eine amüsierte Wellenbewegung durch den Schwanz laufen. »Ich schätze, da ist von beidem etwas dabei.«
»Bist du auf Thea aufgewachsen?«, fragte Onttril-Gukzz. »Dein Akzent kommt mir nicht bekannt vor.«
»Meine Erzeugerin war Teil einer Schaukampftruppe. Ich schlüpfte noch vor der Erhöhung der Hyperimpedanz aus dem Ei. Ich wurde hier auf dem Planeten der Artisten zurückgelassen und von Dron adoptiert. Aus diesem Grund spreche ich zwar mehr als zwei Hände voll Sprachen, aber nur mäßig Topsidisch.«
Nuggnugg klappte den Mund zu. Das musste erst einmal reichen als Vorstellung.
»Und wie kamst du zu deinem Spitz- respektive Kosenamen?«, hakte Tork-Trak prompt nach.
»Das ... das ist privat«, stotterte er, überrumpelt durch die Nachfrage. »Was wollt ihr von mir?«
Onttril-Gukzz deutete auf den Terraner, der Nuggnugg aus dunklen Augen betrachtete. »Unser Herr bittet dich, uns ein wenig herumzuführen und ihm die Stadt zu zeigen.«
Nuggnuggs Rachen krachte, ohne dass er es hätte verhindern können. Eine Geste der Aggression.
»Es ziemt sich nicht, mit halben Wahrheiten um einen Gefallen zu bitten«, stieß Nuggnugg rasch aus. »Dieser Terraner ist nicht einfach nur euer Herr. Er ist ...« Sein Schwanz peitschte vor Nervosität.
Der Terraner verzog die Mundpartie seines Gesichtes zu einem Lächeln, während er sich zwischen den beiden Topsidern durchzwängte. Dann krümmte er seine Hände zu Klauen und legte sie sich überkreuzt an die Brust – die traditionelle Friedensgeste der Topsider.
»Ich bin Arun Joschannan. Wir wollten dich nicht in die Irre führen«, sagte er in fast lupenreinem Topsidisch. »Mir liegt viel daran, die Stadt aus der Perspektive eines – bitte, verzeih mir – gewöhnlichen Bürgers von Dolina Salamonski kennenzulernen. Ich möchte nicht an einer Werbeveranstaltung teilnehmen, sondern erfahren, welche Freuden, Sorgen und Ängste euer Leben bestimmen. Deshalb wäre es eine Ehre für mich, wenn du uns ein wenig herumführen könntest. Es soll dein Schaden nicht sein.«
Der alte Topsider senkte den Kopf, ließ seinen Schwanz zweimal auf den Boden schlagen. »Die Ehre ist ganz meinerseits, Erster Terraner.«
Sie einigten sich darauf, dass Nuggnugg die drei Gäste zwei Stunden lang herumführen würde. Ein Entgelt für seine Dienste schloss der alte Topsider kategorisch aus, erwähnte aber, dass es für ihn ein unvergessliches Erlebnis wäre, mit dem hohen Gast am Ende ihrer Tour einen Becher Schaumwein zu trinken.
Arun Joschannan lachte. »Ich denke, das lässt sich
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