PR 2677 – Rhodans Entscheidung
davon, zu den Wurzeln zurückzukehren und die Fremde hinter sich zu lassen, um Stärke zu sammeln. Wenn er die Augen schloss, konnte er die Größe und Erhabenheit der Heimat atmen.
Erneut zuckte ein Phantomschmerz durch sein Auge – eine Erinnerung seiner Seele, die eine Reaktion des Körpers hervorrief. Seine Gedanken drifteten ab.
Irgendwo hier in diesem Salzsee würde die Entscheidung fallen. Der Blick reichte weit über die rot schillernde Wasserfläche. Kaowen hatte das Versteckspielen satt. Ein ehrlicher, direkter Zweikampf stand bevor. Nur einer von ihnen konnte überleben.
Der Bessere.
Nur noch Stunden, und einer erhielt den ersehnten Titel »Protektor der QIN-SHI-Garde«. Kaowen hegte nicht den geringsten Zweifel, dass ihm diese Ehre zustand. Ihm allein.
Die Wasserfläche kräuselte sich.
Kaowen wirbelte herum. Sein Gegner trickste, flog auf einem Antigravfeld heran, viel schneller, als es ohne technische Hilfsmittel möglich gewesen wäre.
Der Zusammenprall riss Kaowen von den Füßen und schleuderte ihn nach hinten. Er überschlug sich in der Luft, prallte auf – und glaubte zu sterben. Aus, alles aus. Ein glühender Pfeil bohrte sich in seinen Kopf, wühlte sich in sein Gehirn und ließ es explodieren.
Aber Kaowen starb nicht.
Weil sein Gegner ihn packte und in die Höhe riss, löste sich mit einem widerwärtig schmatzenden Geräusch der kleine Dorn aus Salzkristallen aus seinem Auge. Das Gebilde ragte fingerlang aus der Wasseroberfläche. Eine schleimige Masse hing daran. Er sah es, und ihm war klar, dass er ein Auge verloren hatte. Die Wut übermannte den Schmerz, seine Gedanken klärten sich mit einem Mal zu ungekannter Brillanz.
Er packte den kristallinen Dolch, brach ihn ab und merkte kaum, dass die Kanten seine Handfläche zerschnitten.
Sein Gegner stieß ihn hinab, drückte das Gesicht unter Wasser, dem scharfen Salzkristallboden entgegen. Kaowen stach auf die Hände ein, die ihn hielten. Zweimal. Dreimal. Immer wieder. Der Griff lockerte sich, blaues Blut spritzte.
Kaowen wand sich in die Freiheit. Etwas löste sich von seiner Augenhöhle und platschte ins salzige Wasser. Sein Gegner starrte ihn an, ehe auch er im nächsten Moment ein Auge verlor. Und noch das zweite. Kaowen stieß mit der improvisierten Waffe ein Dutzend Mal zu, ehe er von dem blutigen Kadaver abließ, der endlich zu zucken aufhörte. Das Wasser trug so viel Salz in sich, dass die Leiche nicht untergehen konnte. Sie trieb davon.
Der Schmerz tobte in ihm, aber auch die Gewissheit, dass er gewonnen hatte.
Damals hatte Protektor Kaowen etwas gelernt: Es gab keinen großen Sieg, ohne dass man einen Preis dafür bezahlte.
Im aktuellen Kampf gegen Perry Rhodan hatte er ebenfalls einen hohen Preis bezahlt – sämtliche Klonkörper waren verloren. Sein nächster Tod war zugleich sein unabänderliches Ende; er war zum letzten Mal wiedergeboren worden.
Ja, er wusste, dass sein Originalkörper auf Xylth im Zustand der suspendierten Animation verwahrt wurde. Doch wer vermochte bei den jetzigen Bedingungen schon zu sagen, ob dies noch der Fall war? Er sollte auf jeden Fall nicht auf diese Möglichkeit zählen.
Aber dieser Preis war nötig gewesen, um den Sieg auskosten zu können: Bald war der Sammelpunkt erreicht. Bald schlossen sich über 50.000 Schiffe seiner Flotte an, um mit ihm den Verzweifelten Widerstand hinwegzufegen. Was auch bedeutete, dass Perry Rhodan, der Terraner, endlich sterben würde.
1.
Vor der Schlacht
»Unser Versteck ist so schön, dass man sterben möchte«, sagte Gucky.
Mondra Diamond schaute ihn an und schüttelte den Kopf. »Nicht witzig, Kleiner. Gar nicht witzig.«
Der Mausbiber seufzte. »Liegt vielleicht daran, dass mir gar nicht nach Witzen zumute ist. War wohl eher so eine Art Reflex. Es gibt eine passende Situation, und ich reiße einen Scherz.« Er schnippte mit den Fingern.
Er war nach einer Erkundungsmission in der RADONJU zu ihrem Versteck in der alten Lagerhalle zurückgekehrt. Dort hatte Mondra mit der Waffe in der Hand auf ihn gewartet.
Sie rechneten jederzeit damit, entdeckt zu werden; entweder zufällig oder weil Protektor Kaowen wegen irgendwelcher Sensorenbeobachtungen eine gezielte Schiffsdurchsuchung anordnete, um sie aufzustöbern.
Ihr Versteck lag in einem ebenso kalten wie kahlen Zwischenraum hinter einem Aggregatekomplex und vor einer Metallwand. Das ständige Surren, lediglich unterbrochen von kurzen Ruhephasen, raubte einem nach einigen Stunden den letzten
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