PR 2692 – Winters Ende
erfasst.«
»Falls ich mich weigere – erschießt du mich dann?« Irmayi wirkte eher amüsiert als ängstlich.
»Glaubst du, das könnte ich nicht?«
Sie runzelte die Stirn. Allmählich dämmerte ihr, dass er die Drohung ernst meinte.
»Nach meiner Sicht der Dinge«, sagte Yugen eiskalt, »wäre es im Prinzip dasselbe, als wenn du dein junges Leben dieser ominösen Maschinerie anvertraust.« Er schwenkte den Lauf zur Suspensions-Bank und richtete ihn gleich wieder auf die junge Frau, die er großgezogen hatte.
»Eine absurde, absolut nicht ...«
»Sei still. Jetzt rede ich. Solange du dich nicht aus deiner Verblendung gelöst hast, bist du für mich bereits so gut wie gestorben. Ich würde dich ungern töten oder verletzen müssen. Aber es würde, rational betrachtet, keinen großen Unterschied bedeuten. Kapierst du das endlich?«
Sie hob die Hände auf Schulterhöhe. »Ganz ruhig, Papa. Mach dich nicht unglücklich.«
»Wie unglücklich«, brach es aus ihm heraus, »kann ein Mensch denn noch werden?«
Auch die kleine, an seine Hüfte gepresste Aria schluchzte auf.
»Damit kommst du nicht durch«, sagte Irmayi. Ihre blauen Augen blitzten, aber ihre Stimme zitterte. »Du schaffst es nicht einmal bis zum Raumhafen.«
»Das werden wir ja sehen.« Er deutete mit dem Kopf in Richtung des Lifts. »Gehen wir.«
7.
Hart am Rand
11. und 12. Januar 1470 NGZ
Bedingt durch die Lichtgeschwindigkeit, dauerte es etliche Minuten, bis Sols neues, altes Licht die Planeten erreichte.
Nicht nur im Großen Konferenzsaal der Solaren Residenz kehrte Stille ein. Überall im System, auf den Planeten und Monden, in den Raumhabitaten, Stationen und Schiffen herrschten Schweigen und gespanntes Warten.
Sogar die Kommentatoren der diversen Nachrichtenagenturen hielten sich zurück. Nicht einmal der Krawall-Sender Augenklar entweihte den Moment durch das notorisch nervtötende Gezeter des swoonschen Starreporters Brettzeck.
In PRAETORIA standen die Ingenieure bereit, den Kunstsonnenpulk herabzudimmen gemäß den Ratschlägen der Spenta, die sich als durchaus hilfreich erwiesen hatten. NATHAN, die Hyperinpotronik auf Luna, unterstützte die komplexe Operation.
11.54:38 Uhr Terrania Standardzeit: Nach zwei Minuten und 48 Sekunden hatte das Licht die Distanz bis zum Merkur überbrückt. Hyperfunkbilder zeigten zeitverlustfrei überall den glühenden Plasmaball Sols, riesig und doch klein im Vergleich zur vorher grotesk aufgeblähten Größe.
11.57:51 Uhr Terrania Standardzeit: Venus bekam, während gleichzeitig der dort stationierte Sonnenpulk heruntergefahren wurde, nach etwas mehr als sechs Minuten das Sonnenlicht.
11.59:55 Uhr Terrania Standardzeit: Auch der Sonnenpulk PRAETORIAS erlosch; nicht gleichzeitig, sondern nach einem komplizierten Muster, ohne dass sich die Lichtverhältnisse auf Terra dadurch vorerst verändert hätten.
11.59:59 Uhr Terrania Standardzeit: Die erdabgewandte Seite Lunas wurde hell. An diesem Tag war Neumond, der Erdtrabant befand sich zwischen Terra und Sol.
Und schließlich, um exakt zwölf Uhr Terrania Standardzeit, erreichte die Woge aus Licht und Strahlung auch die Tagseite der Erde. Spenta und Sayporaner hatten Wort gehalten.
Die Menschheit atmete noch ein, zwei Sekunden länger durch. Als hätten alle zugleich Luft geholt, entlud sich die Anspannung in kollektiver Ekstase.
Alles schrie. Auch Bully ließ sich dazu hinreißen, lauthals mitzubrüllen. Sein Blick war verschleiert. Er hatte Tränen in den Augen.
Jemand umarmte ihn. Mehrfach wurde ihm auf die Schulter geklopft.
»Dass ich das noch erleben durfte«, hörte er Henrike Ybarri sagen, erstaunlich klar und ernst. »Der Fimbul-Winter ist beendet.«
Bully spürte weiche Lippen, die ihn küssten. Er gab sich dem Kuss hin.
Alarmsirenen gellten durch die Solare Residenz.
*
Sirenen gellten durch die Solare Residenz, in rascher Folge an- und abschwellend, das Zeichen für höchste Alarmstufe.
Reginald Bull löste sich aus der Umarmung. »LAOTSE! Was ist denn los?«
Das asiatische Gesicht des Rechnernetzwerks erschien und sagte: »Die Anomalie, in die wir verschlagen wurden, löst sich an einem Randpunkt auf.«
»Wie soll ich das verstehen? Das Proto-Neuroversum wird löchrig?«
»Es scheint sich um eine einzelne, punktförmige Perforation zu handeln. Sowie um eine Quelle für starke ultrahochfrequente Strahlung des hyperenergetischen Spektrums, welche gerade noch von den außerhalb der Sextadimblase stationierten
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