PR 2692 – Winters Ende

Goldfischglas-Schiff schwebte nahezu fahrtlos direkt vor dem Mittelpunkt der Schlauchöffnung.
    Bully lag eine Reihe schwerer Vorwürfe auf der Zunge, nebst einer Vielzahl nicht stubenreiner Vokabeln. Stattdessen fragte er: »Ist das Phänomen, vor dem die TOLBA schwebt, eine Verbindung zum Standarduniversum?«
    »Sehr vereinfacht ausgedrückt, ja.«
    »Komm mir nicht so großkotzig, hörst du? Weißt du wirklich, was du tust?« Nun war Bully doch laut geworden; so viel zum Thema Selbstbeherrschung. »Um deinen Plan zu verwirklichen, spielst du mit dem Schicksal des gesamten Solsystems! Bist du dir der möglichen Konsequenzen bewusst?«
    »Aber natürlich, lieber Onkel Reginald. Reg dich wieder ab. Die Sextadimblase, die zurzeit noch das Solsystem schützt, ist dank einiger Modifikationen imstande, QIN SHI abzuwehren.«
    Das waren große Worte, aufreizend nonchalant ausgesprochen. Nach Luft schnappend, wollte Bully einen neuen Anlauf nehmen und detailreiche Aufklärung fordern.
    Delorian kam ihm zuvor. »Reinen Gewissens werde ich euch und das Neuroversum jetzt verlassen. Ich habe noch anderswo zu tun und einige Leute zu treffen.« Er hob den Arm und winkte mit gespreizten Fingern. »Macht's gut!«
    Auf seinem Gesicht lag dabei ein Lächeln, das Bull seltsam, geradezu unheimlich vorkam. Das Holo erlosch.
    Der Raum um – und in – die Öffnung stabilisiere sich, meldete die Ortungsabteilung. Eine sehr reduzierte schematische Darstellung zeigte, dass die TOLBA beschleunigte, hineinflog ... und aus der Wahrnehmung der Messgeräte verschwand.
    Damit gab es für Bull endgültig keinen Zweifel mehr, dass Delorian es war, der dieses Hyperphänomen erzeugte, auf welche Weise auch immer. Dass Perrys Sohn eine Möglichkeit hatte, quasi nach Belieben in die Anomalie einzudringen und sie zu verlassen, wurde ohnehin seit geraumer Zeit angenommen.
    »Und jetzt?«, fragte Oberst Baeting.
    Bully zauderte keinen Augenblick. »Hinterher!«
     
    *
     
    Die LEIF ERIKSSON IV und die neunzig LFT-BOXEN nahmen Fahrt auf und drangen in das titanische, schlauchförmige Etwas ein.
    Der Flug war unruhig. Die Ortung lieferte erneut ein ums andere Mal widersprüchliche Werte.
    Schließlich wurde eine Art durchscheinende Membran angemessen. Strudel hatten sich auf ihr gebildet; sie schwächten sich bereits wieder ab.
    Die Vermutung, dass an dieser Stelle die TOLBA durchgebrochen war, drängte sich auf, nicht zuletzt wegen der optischen Ähnlichkeit zu einer Wasseroberfläche, die ein Stein aufgewirbelt hatte. Sie konnte jedoch vorerst nicht durch entsprechende Auswertungen untermauert werden.
    »Wir nähern uns in Schleichfahrt«, ordnete Bully an.
    Er bemerkte, dass sich bei Toufec dessen Nano-Begleiter Pazuzu manifestiert hatte. Die beiden unterhielten sich leise.
    Auf einen fragenden Blick hin schüttelten beide synchron den Kopf. Der Dschinn verfügte offenbar auch nicht über mehr Informationen als sein menschlicher Partner.
    Kurz darauf teilten die Ortungsspezialisten mit, dass im selben Maße, in dem sich der Schlauch stabilisierte, ihre Geräte wieder besser funktionierten. Allmählich wurde es möglich, durch die Membran zu orten.
    »Lasst sehen, Leute.«
    Die Holos zeigten Raumschiffe: Tausende, Abertausende von Zapfenraumern, wie man sie aus dem Sol- und dem Weltenkranz-System kannte. Auf der anderen Seite, vor dem Durchgang zur Anomalie, wartete eine gewaltige, überaus schlagkräftige Flotte.
    »›QIN SHI ante portas‹«, sagte Bully.
     
    *
     
    Es wäre völlig sinnlos gewesen, einen Durchbruch zu versuchen. Ihnen standen nicht die Mittel der TOLBA zur Verfügung; ganz abgesehen von der feindlichen Übermacht.
    Reginald Bull befahl den Rückzug. Er musste das Heimatsystem auf einen Angriff vorbereiten. Ein großes Kontingent diverser Sonden wurde zur weiteren Beobachtung an der Membran zurückgelassen.
    Via Relaiskette ließ Bull das Solsystem über die Zuspitzung der Lage in Kenntnis setzen. Gleichzeitig erfolgte die Anweisung, auch die Sayporaner und ihre Verbündeten im Weltenkranz-System zu informieren.
    Generalmobilmachung war angesagt. Bully fühlte sich nicht sonderlich wohl bei dem Gedanken, gemeinsam mit Dosanthi zu kämpfen. Aber er hatte keine andere Wahl.
    Beide Seiten reagierten erfreulich rasch. Von Saypor kam die Nachricht, dass 30.000 Zapfenraumer schnellstmöglich aufbrechen würden, um das potenzielle Tor zum Standarduniversum abzusichern und bei Bedarf auch gegen QIN SHIS Flotte vorzugehen.
    Aus dem Solsystem