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PR 2695 – Totenhirn

PR 2695 – Totenhirn

Titel: PR 2695 – Totenhirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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Boden, Wände und Decke dahinwuselten. Sie quiekten erbärmlich. Sie wussten, welches Schicksal ihnen zugedacht war.
    Die Dosanthi rings um Chimao wuchsen. Ihre Körper gewannen an Spannkraft, die zarten Buckelrundungen der Frauen verschwanden. Auch er fühlte, wie ein Ruck durch seinen Leib ging.
    Doch er hatte die Jagd auf die Haisen nicht nötig. Es reichte ihm zuzusehen, wie sich mehr als zwei Drittel seiner von der Wand gerissenen Landsleute an der Hatz nach den Futtertieren beteiligten.
    Er fühlte tiefe Befriedigung, als eines nach dem anderen gefangen und ihnen der Garaus gemacht wurde. Es knackste allerorten. Die dünnen Knochen der Haisen brachen, ihre Jäger genossen mit lautem Schnaufen den Triumph. Es gab auf Dosanth nicht sonderlich viele Tiere, die sich jagen ließen; doch diese da zählten dazu. Sie waren dumm, folgten bestimmten Fluchtreflexen und starben nur aufgrund ihrer immens hohen Fertilitätsrate nicht aus.
    Bara Ttamia und die anderen Frauen der Siebenergruppe kehrten zu ihm zurück, scharten sich um ihn. Ihre Hautlamellen schabten über die seinen. Sie ließen ihn wissen, dass sie zu ihm gehörten und er zu ihnen, auch wenn er keinen sonderlich guten Anführer abgab.
    »Weiter!«, befahl er. »Man wartet auf uns.«
    Seine Gruppe war eine der letzten, die in der Sammelkaverne eintrafen. Weiter vorn, nahe dem Podium, standen bereits Araba Nechto und seine sechs Stellvertreter. Sie unterhielten sich angeregt, mit halb aufgerichteten Oberkörpern.
    Nechto trug wie immer rosa Stiefel und zwei Netze, die er sich um die Brust gewunden hatte, eine Beute aus früheren Schlachten. Er galt als ruhig und erfahren. Doch es war nichts von Besonnenheit zu bemerken, als er aufs Podium trat, einen lauten Schrei ausstieß und einen Arm in die Höhe reckte.
    »Neue Schlacht, neue Feinde!«, schrie er und stampfte auf. Rote Farbe entwich stoßweise aus den Sohlen seines Schuhwerks als Zeichen seiner Entschlossenheit. »Denkt an Pflicht, denkt an Gehorsam! Nichts anderes zählt.« Araba Nechto stockte und gab ein seltsames Grunzen von sich, das seine Unsicherheit deutlich machte.
    Ringsum richteten sich Landsleute auf, Dosanthi, die verwirrt und überfordert waren. Chimao war drauf und dran, sich anstecken zu lassen. Doch er trug schmerzhafte Verantwortung. Er war der Mann der Siebenergruppe. Er war dazu verpflichtet, mehr zu ertragen als Bara Ttamia und alle anderen Mitglieder. Also hielt er seinen Buckel rund.
    »Wir werden gegen andere Dosanthi kämpfen!«, fuhr Araba Nechto endlich fort. »Solche, die auf der Seite des Feindes stehen, an der Seite von QIN SHI.«
    Es war alles so verwirrend. Eben noch waren sie diesem höheren Wesen verpflichtet gewesen. Doch nun gab es andere Befehle.
    Oh ja, Befehle. Gehorsam. Gefolgschaft bis in den Tod. Das waren Begriffe, mit denen Chimao etwas anzufangen wusste. Er würde seine Pflicht erfüllen, und wenn alles erledigt war, durfte er an seine Wand zurückkehren, sich daran festkleben und von der Heimat träumen.
    Vereinzelt schwangen Dosanthi die Arme hoch und nieder, hoch und nieder, als würden sie einen Götzen anbeten, wie Chimao es von anderen Wesen kannte. Doch Dosanthi akzeptierten keine Götter. Das wiederholte Verbeugen war ein Zeichen der Zustimmung.
    Araba Nechto wirkte nicht sonderlich zufrieden. Unsicher machte er einen Halbbuckel und ließ weiteren roten Dampf aus den Schuhen entweichen. »Es ist so!«, rief er. »Wir machen das so. Wer nicht gehorcht, verliert sein Recht auf die Wand!«
    Ein gequälter Aufschrei aus Hunderten Kehlen tönte ihm entgegen. Chimao hörte sich selbst entsetzt brüllen.
    Das Recht auf die Wand verlieren? Das kommt einem Todesurteil gleich!
    »Ja, so ist es!«, schrie der Wandführer. »Gehorcht! Tut, was von euch verlangt wird! Andernfalls gibt es für euch keine Erlösung, niemals mehr wieder!«
    Einer der Stellvertreter richtete sich neben Araba Nechto auf. »Noch steht nicht fest, ob wir kämpfen müssen. Doch sollte es so weit kommen, bereitet euch auf die Begegnung mit anderen Dosanthi vor. Womöglich auf solche, die aus derselben heimatlichen Wand stammen wie ihr.« Er dampfte Aggressionen aus, sein Gehabe wirkte ansteckend. In ihm wuchs ein zukünftiger Wandführer heran. Denn dass Araba Nechto seine Leute nicht im Griff hatte, war deutlich zu spüren.
    »Es ist nicht zu viel verlangt, gegen jene anzutreten, die sind wie wir. Es ist Teil unserer Verpflichtung zu unbedingtem Gehorsam. Denkt an die Episteln, besonders an

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