PR 2695 – Totenhirn
verurteilte Freunde, Untergebene, Verbündete und Zweckpartner zum Tod.
»Angriff!«, befahl er leise.
Die Kriegsmaschinerie lief an.
5.
Der Oberst
Aiden Cranstoun breitete sich auf einer Krankenliege aus. Das Zimmer wirkte steril, die Luft ebenso. Alles war klinisch sauber und aufgeräumt. In diesem Raum herrschten exakt jene Bedingungen, die Henrike Ybarri gefordert hatte.
»Und nun?«, fragte Ankersen.
»Wir warten«, sagte die Erste Terranerin. Sie starrte an ihm vorbei, auf ein Holo, das Gehirnströme aufzeichnete und interpretierte. »Es dauert meist eine Weile, bis Aiden die notwendige Ruhe gefunden hat, um den Kontakt mit seinem Bruder zu suchen.«
Ihr Schutzbefohlener war blass, er wirkte reichlich erschöpft. Doktor Pernemas befand sich im Raum, ebenso Hilvard.
Der Mediker nahm einige Routineuntersuchungen vor und unterhielt sich währenddessen mit Anka über Nichtigkeiten. Hilvard antwortete leise und ohne ihn anzublicken. Er wirkte desinteressiert, wie immer.
Ankersen sah sich um. Wo war Chourtaird abgeblieben? – Richtig: Er hatte ihm eine Führung durchs Schiff angeboten, der Sayporaner hatte dankend angenommen. Einer seiner Offiziere würde den Fremden für eine Weile beschäftigen. Ein Wesen weniger, auf das er sich konzentrieren musste.
Seltsam. Chourtaird hatte sich ohne Weiteres abschieben lassen, obwohl er den Eindruck erweckte, als nähme er bei diesen seltsamen Vorgängen rings um den Kontaktversuch mit Zachary Cranstoun eine besondere Rolle ein, womöglich gar die wichtigste.
»Ich bin so weit«, meldete Pernemas. »Zumindest, was die ärztliche Betreuung betrifft.« Er blickte ins Kamerafeld und zwinkerte mit dem linken Auge. Das tat er immer, wenn er nervös war.
»Was ist notwendig, um Anka auf den Kontakt mit Aiden Cranstoun einzustimmen?«, fragte Ybarri.
»Es gibt kein besonderes Prozedere«, antwortete Ankersen anstelle des Arztes. »Er muss sich wohlfühlen und Vertrauen fassen. Wir können nicht garantieren, dass er Cranstouns Emotionen tatsächlich wahrnehmen und interpretieren kann.«
»Was nimmt er von seinem Umfeld wahr?«
Ankersen fiel es schwer, eine passende Antwort zu finden. Er ließ kein Auge von seinem Mündel. Von diesem unendlich wertvollen Wesen, das er über die Jahre hinweg zu schätzen gelernt und näher an sich herangelassen hatte als alle Besatzungsmitglieder, alle Freunde, seine Partnerinnen.
»Hilvard ist hochintelligent und verhält sich dennoch wie ein Kind«, sagte er leise. »Für ihn ist das Leben ein Spiel, ein Traum. Alles offenbart sich in Farben, Tönen und Emotionen von einer solchen Fülle, die wir niemals kennenlernen werden. Leider weiß er kaum etwas mit Interaktion anzufangen. Würde man ihn in einem Teil der LEIF ERIKSSON aussetzen, den er nicht kennt, und den Robotern untersagen, ihm zu helfen, würde er tagelang im Kreis irren, um irgendwann zu verdursten.«
»Wie traurig ...«
»Hilvard kennt kein anderes Leben, und ich bin überzeugt, dass er auf seine Weise glücklich ist.« Er hasste Mitleid, das seinem Mündel entgegengebracht wurde. Es war nichtssagend. Er war ihm viel zu oft begegnet.
»Wie lange kümmerst du dich schon um ihn, Oberst?«
Ankersen hatte Mühe, seinen Ärger zu unterdrücken. Die Erste Terranerin verlangte Informationen, über die er nur ungern redete. »Ich dachte, du hättest meine Personalakte gelesen?«
»Sei bitte so freundlich und verrate es mir trotzdem.«
»Ich kenne ihn seit dreiundzwanzig Jahren. Ich habe ihn ... gefunden.«
Auf einer fremden, lebensfeindlichen Welt. Als Sklaven in die Barbarei zurückgefallener Einheimischer plophosischer Abstammung. In einem Käfig hatten sie ihn gehalten. Ihn zur Belustigung öffentlich zur Schau gestellt. Ihn gequält und getriezt – und ihn wie ein Werkzeug benutzt, wenn es darum ging, Kontakt mit Angehörigen anderer Stämme aufzunehmen, Verirrte zu finden oder Sterbende auf ihrem letzten Weg zu begleiten.
»Und seitdem beschützt du ihn?«
»Falsch. Er beschützt das Schiff.«
Mehr sagte Ankersen nicht. Sollte sich Ybarri doch einen Reim darauf machen. Sie hatte ihn in der Zentrale gesehen. Hilvard interpretierte hereinkommende Daten auf seine eigene, unnachahmliche Weise und passte sie in sein Weltbild ein. Wenn Gefahr drohte, ließ er es ihn wissen. Mithilfe eines geringen Wortschatzes, den er sich im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte angeeignet hatte, oder durch Gesten und Gesichtsausdrücke.
»Und er hat sich niemals geirrt in seinen
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