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PR 2695 – Totenhirn

PR 2695 – Totenhirn

Titel: PR 2695 – Totenhirn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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Dsouman indes bewirkten Unruhe im Wandgefüge. Sie führten eine Körperunterhaltung, die wohl eine Nacht oder zwei in Anspruch nehmen würde. Noch war nicht klar, in welche Richtung sich ihr Getue entwickelte. Sie begegneten einander scheu und ängstlich. Doch das Dosedomoos bewirkte Aggressivität, und niemand vermochte zu sagen, ob sie nicht doch übereinander herfallen würden, um sich zu vereinen und damit das Wandgefüge gehörig durcheinanderzuwirbeln.
    Er entlastete die linke Hand und schob sie sachte ein kleines Stück höher. Diese Bewegungen waren widerlich in den Ruhezeiten, aber notwendig, um die minimale Blutzirkulation im Gang zu halten.
    Die Dunkelheit war fast vollkommen. Nur ein geringer Schimmer fiel in die Kaverne, in einem der vorderen Bereiche. Dort, wo die Wachhabenden ihren Dienst leisteten. Chimao verschwendete keinen Gedanken an seine Pflichten. Es würden noch einige Tage vergehen, bis er sich aus der heimatlichen Wand lösen musste. Bis dahin durfte er ruhen, alle Bewegungen vermeiden. Das Leben in Sicherheit genießen. Dahindämmern. Das Dosedo einwirken lassen ...
    Chimao erwachte.
     
    *
     
    Die Wirklichkeit zeigte sich von ihrer schrecklichsten Seite. Grelles Licht umfing ihn, er drückte sich gegen die künstliche Wand, so gut es ging. Alle anderen Mitglieder der Siebenergruppe reagierten ebenso nervös auf das Aufflammen der Scheinwerfer.
    »Die Furcht gehört allein den Dosanthi«, murmelte Bara Ttamia neben ihm. »Die Furcht macht die Dosanthi schwach, aber auch stark.«
    »Furcht ist ein Aphrodisiakum«, rezitierte Chimao die drittletzte Epistel. »Packe und bändige und nutze sie. Aber erlaube ihr niemals, zur Gänze über dich zu herrschen.«
    Bara Ttamia drehte ihm den Kopf zu. Sie wirkte verwundert. »Die drittletzte wird höchst selten ausgesprochen. Sie gilt als veraltet. QIN SHI wäre damit keinesfalls einverstanden.« Bara Ttamia löste ihre Hände von der Wand und rutschte langsam zu Boden, Chimao folgte ihr widerwillig.
    »QIN SHI hat keinerlei Macht über uns. Wir sollten niemals wieder zulassen, dass jemand über uns verfügt.«
    »Was sollen wir sonst tun?«
    Seine Wandnachbarin brachte das Dilemma der Dosanthi auf den Punkt: Sie waren gleichermaßen stark und schwach. Ihre Ausdünstungen machten den meisten bekannten Wesen zu schaffen, die sie kennengelernt hatten. Da halfen keine Schutzschirme, da half auch keine Flucht. Ihre Kräfte wirkten im Kollektiv über große Entfernungen. Wenn sie sich zu sieben Siebenergruppen zusammenschlossen und gemeinsam ein Ziel visualisierten, gar über Lichtminuten hinweg.
    Chimao setzte einen Fuß auf den Fußboden. Das so übel schmeckende Dosedo der Kunstwand zog geringe Spuren, die ihnen die ersten Schritte zum Ausgang hin erleichterten. Die beruhigende Wirkung des Mooses ließ allmählich nach. Er hasste diesen Weg. Körper und Geist veränderten sich. Angst, Erregung, Wut und ganz speziell der Hass auf alles rings um ihn nahmen Besitz von ihm. Chimao wollte sich aufrichten, seinen Leib durchstrecken und seine Emotionen ausdünsten, so wie seine Begleiter, so wie alle, die sich auf Befehl vorwärtsbewegten.
    Er betrat den Gang vor der Kaverne.
    Wie hieß ihr Schiff noch mal? – Ach ja: GONZACK. Es war eines von über dreißigtausend, die zusammengehörten und durch einen Raum trieben, den man »Anomalie« nannte.
    Vor einiger Zeit hatte man ihnen gesagt, dass sie neue Ziele hatten. QIN SHI war von nun an ihr Gegner.
    Chimao verstand es nicht ganz, aber dieser Gedanke bereitete ihm irgendwie Freude.
    Bara Ttamia schnaufte tief durch. Sie zog die Hose hoch und tastete nervös über ihren Gerätegürtel. Die Drüsennippel stachen zwischen hageren Knochenplatten hervor. Sie konnte sich offensichtlich kaum beherrschen, und nur die Nähe zu ihm und anderen Mitgliedern der Siebenergruppe ließ sie ihren Verstand bewahren.
    Bara Ttamia war ein Risikofaktor. Immer gewesen. Schon auf Dosanth hatte sie als Störenfried gegolten, der sich viel zu oft bewegte und ein übermäßiges Aggressionspotenzial in sich trug. Chimao hatte stets geargwöhnt, dass sie zur Agal-Atimpal werden würde, zur Dauererregten. Doch bisher hatte sie diesem Drang zum Selbstvergessen widerstanden.
    Er schnüffelte. »Die Haisen werden freigelassen«, sagte er.
    »Die Haisen«, wiederholte Bara Ttamia mit Sehnsucht und Gier gleichermaßen in der Stimme, »endlich!«
    Da waren sie schon: unterarmlange Geschöpfe, die aus vielen Klappen hervorhuschten und über

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