PR 2696 – Delorian
sich getragen hatte, war ihr bewusst gewesen, dass er nie ein normales Kind sein würde. Trotzdem hatte sie sich darauf gefreut, ihren Jungen heranwachsen zu sehen und ihn eines Tages seinem Vater vorstellen zu können. Perry Rhodan würde gewiss ebenso stolz auf ihr gemeinsames Kind sein, wie sie es war.
Doch Delorians vorherbestimmtes Schicksal hatte keine Alternative zugelassen.
Als er sich daran erinnerte, sah er Mondra in ihrer Hilflosigkeit vor dem Bett knien, in dem der leblose Säugling lag, dessen Geist in ES aufgegangen war. Dessen Körper von vornherein nur eine Hülle zum Transport gewesen war.
»Du kannst nicht einfach so gehen, ohne ein Wort, ohne einen letzten Abschiedsgruß«, hörte Delorian seine Mutter sagen. »Gib mir wenigstens ein letztes Zeichen!«
Das hatte er getan und Mondra Diamond die Vision des jungen Mannes geschickt, der seinem Vater Perry Rhodan wie aus dem Gesicht geschnitten war. Der Avatar, in dem Delorian nun auch auf der Insel Talanis Gestalt angenommen hatte.
Er entsann sich, als wäre es eben erst geschehen. Und tatsächlich: Mehr als zweihunderttausend Jahre erschienen ihm im Nachhinein wie ein einziger kurzer Augenblick. Die Zeit, bemerkte er, war Freund und Feind zugleich – sie zu kennen bedeutete noch lange nicht, sie auch zu beherrschen.
»Delorian«, hörte er Mondra in seiner Erinnerung sagen, »lass mich bei dir sein! Ich will nichts anderes, als dich auf deinem weiteren Weg mit ES begleiten.«
Nach elf Monaten Schwangerschaft wollte sie sich nicht schon wenige Tage nach der Geburt von ihrem Kind trennen. »Das ist nicht fair«, schluchzte sie.
*
Delorian blickte zu den schnell dahintreibenden und sich stetig verändernden Wolken auf. Sie machten aus dem steten Schein der Sonne einen aberwitzigen Wechsel von Licht und Schatten.
»Was ist schon fair ...?«, murmelte Delorian gedankenverloren. »Der Unterschied zwischen Tod und Leben, der für mich nicht existiert?«
»Der Säugling Delorian musste sterben, damit du leben kannst«, drang die Stimme des alten, bärtigen Chronisten in seine Gedanken vor. »Du lebst als Bewusstsein, bist Jüngling und Greis zugleich und hast deine Heimat in ES gefunden.«
Delorian wandte sich wieder dem Alten zu. Er glaubte, einen lauernden, abschätzenden Ausdruck in dessen Augen zu sehen.
»Ich bin ES angegliedert, aber nicht in den Bewusstseinspool integriert.«
»Sag mir nicht, was ich längst weiß. Wir beide sind eins. Du kennst mich ebenso genau wie ich dich, auch wenn du noch davor zurückschreckst, dich mit mir zu identifizieren. Ich bin unausweichlich für dich, und doch wirst du immer du selbst bleiben.«
»Bin ich wirklich ich selbst, Alter?«
Der Greis schürzte die Lippen. »Das ist eine Frage, die du dir selbst beantworten musst. Du bist ein Stück von ES, so wie ES zugleich ein Stück von dir ist. Zugleich bist du eine starke eigene Persönlichkeit. Es würde dir nicht gefallen, im Bewusstseinspool als einer von Unzähligen eingeschlossen zu sein.«
»ES hat mich zu seinem Chronisten bestimmt. Ich werde nie etwas anderes sein.«
Der Alte schwieg.
»Ja, du hast recht«, sagte Delorian nach einer Weile des Nachdenkens. »Mein umfassendes Wissen, das ES leitet, macht mich für die Wanderer-Entität zugleich zu einem blinden Fleck. Deshalb habe ich die besondere Position – nicht im Pool aller in ES aufgegangenen Bewusstseine, sondern neben oder über ihnen. Ich bin der eigentliche Kern der Entität – und deshalb bis zu einem gewissen Grad sogar ES selbst. Jedenfalls so lange, bis durch die vojaridischen Geburtshelfer in Jahrmillionen aus der Wesenheit wieder die Superintelligenz ES entstehen wird. Oder sollte ich sagen, entstanden sein wird?«
»Untertreib nicht, mein Lieber!«, mahnte der Greis. »Zu allen Zeiten werden Außenstehende die Abgrenzungen nicht nachvollziehen können. Es dürfte für jeden schwer sein, unser Auftreten von dem der Entität zu unterscheiden und mehr noch von dem der Superintelligenz. Der alte Zauderer ES wusste nie genau, wer er im Augenblick ist ...«
»Das ist richtig«, bestätigte Delorian. »Wir haben das Wissen!«
»Wir entscheiden«, pflichtete der Alte bei. In seiner Stimme schwang ein Hauch von Provokation mit. »Und wir wollen mehr ...«
Delorian nickte zögernd.
»... über die Große Zeitschleife hinaus«, sagte er nachdenklich. »Sie darf keinesfalls die Grenze unseres Handelns sein.«
Achtzehn Millionen Jahre waren eine lange Zeit, für viele
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