PR 2705 – Die Sippe der Würdelosen
Dunkelhäutige hielt einen Gegenstand hoch. Ein Objekt, das Khosrau augenblicklich erkannte.
Der Onryone sagte: »Ich würde mich freuen, diesen Zellaktivator so rasch wie möglich einem Freund des Atopischen Tribunals überreichen zu dürfen.«
Kaum hatte er ausgesprochen, begann Bull in einer Derbheit zu fluchen, die Khosrau dem Unsterblichen niemals zugetraut hätte.
*
Es dauerte eine Weile, bis sich Bull wieder unter Kontrolle hatte. Er machte einige falsche Schaltungen, bis das Holo in sich zusammenfiel und anderen, ebenso großen Platz machte. Sie zeigten prominente Terraner. Zeitangaben stellten klar, dass diese Aufnahmen von der Erde stammten, erst einige Minuten alt waren und unmittelbar nach der Ansprache des Onryonen gemacht worden waren.
Cai Cheung hatte rasch reagiert und eine erste Stellungnahme verlautbaren lassen. Mit verkniffenem Gesicht sagte sie: »Terra lässt sich nicht erpressen, und Terra lässt sich erst recht nicht verführen. Ich ersuche alle Erdenbürger, alle Bewohner des Solsystems und Staatsbürger der Liga Freier Terraner, Ruhe zu bewahren und ...«
Ein anderes Bild drängte sich in den Vordergrund. Es zeigte Pala Rombijn, Führer einer populistischen oppositionellen Splitterpartei, die auf dem europäischen Kontinent immer mehr Zulauf bekam und die aus ihrer Abneigung gegenüber den Unsterblichen Terras keinen Hehl machte. Mit staatstragender Stimme sagte Rombijn: »Wir müssen uns endlich über die eigentlichen Beweggründe der Onryonen klar werden. Wie sieht es mit ihrer moralischen Integrität aus, können wir ihren Worten vertrauen? Wenn es ihnen wirklich nur um die JULES VERNE und zwei der Unsterblichen geht, dann ...«
Bull fuhr wütend mit der Hand durch das Holo, es zerfiel, machte dem nächsten Platz.
Gender X, Radikalagitpropsänger und derzeit Liebling der Reichen und Schönen in Terrania City, beschimpfte den Onryonen Shekval Genneryc mit einem ähnlich ausgefallenen Wortschatz wie Bull.
Eine Spitzenleichtathletin der Dopingklasse II, Marja Augent, sprach sich dafür aus, das Angebot des Fremden zumindest zu überdenken. Das Metallkorsett, in das sie ihren Körper zur Vorbereitung auf die Weltmeisterschaften gezwängt hatte und in dem sie sich derzeit unsäglichen Torturen unterwarf, bewegte sich indes hin und her, rauf und runter. Es optimierte die Gewebeverstärkungen und passte die genetischen Wachstumsimplantate an das wenige an, was von ihrem eigentlichen Körper übrig geblieben war.
Ihre Trainingspartnerin wiederholte fast wortwörtlich, was sie sagte. Die beiden ... Geschöpfe standen unter schweren Drogen. Ihre Aussagen waren belanglos: getroffen in jener Vorbereitungsphase, da sie kaum Herr über ihre Gedanken waren. Doch der Boulevardsender »Terras Wahrheit« der Brüder Faulner war sich nicht zu blöd, derartige Meldungen zu verbreiten. Die Quote war für sie alles, was zählte.
Eine Ikone der Trivid-Kultur äußerte sich ebenfalls zum verlockenden Angebot der Onryonen. Lisi-Gina-3, die sich seit mehreren Jahren bei der stufenweisen Umwandlung ihres Metabolismus auf Methangasatmung zusehen ließ, sagte zwischen zwei hastigen Atemzügen: »Find ich gut, find ich gut, brauche ich! Kauft es mir, schenkt es mir! Dann hätte ich mehr Zeit für die Transformation mit so einem Ding, schaut auf meinen eigenen Sender, seht mir zu, was ich vom Zellaktivierer denke, Zuschauen kostet nur wenig Geld, stimmt ab, ob ich mir einen Gataser-Mund schneidern lassen soll ...«
Grünes, schlieriges Gas wurde aus ihrer rechten Metalllunge gesogen. Mund- und Wangenklappen öffneten sich irritierend schnell. Überall waren Dampf und feuchte Luft. Lisi-Gina-3 war wie ein leck gewordener Kochtopf, und die Mediziner in ihrer Nähe hatten alle Mühe, jene Beatmungshybriden immer wieder neu zu justieren, die die junge Frau gleichermaßen am Leben erhielten und vergifteten.
Lokalpolitiker gaben ihre Meinung kund, ebenso Gewerbe- und Wirtschaftstreibende, Tourismusmanager, Industriefarmen-Einzelunternehmer, Vertreter der Städte, der Regionen, der Länder, der Kontinente. Jeder hatte etwas zu sagen, und meist waren es sinnlose Wortspenden, die unter dem Eindruck dieses ganz besonderen Angebots getätigt wurden.
»Die Drohung, eine Arkonbombe auf Terra zünden zu wollen, hätte nicht mehr Aufmerksamkeit erregen können«, sagte Khosrau. »Die Onryonen wissen ganz genau, was für eine gute Show nötig ist – und wie man uns Terranern am besten beikommt.«
»Niemand wird
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