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PR 2705 – Die Sippe der Würdelosen

PR 2705 – Die Sippe der Würdelosen

Titel: PR 2705 – Die Sippe der Würdelosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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Schritt berührten seine nunmehr weit geöffneten Nervenknospen die Wunden. Wunden, die von Hitzeeinwirkung herrührten, aber auch von Metallteilen, die durch die Explosionen losgesprengt und wie Schrapnelle kreuz und quer durch den Raum geschossen waren.
    Sei-bei-mir reinigte das Gesicht des Verwundeten, spülte das Blut vom Kopf.
    »Ghiyas Khosrau«, sagte Bull irritiert. Er hatte gehofft, einen der Sicherheitsoffiziere lebend wiederzufinden und nicht den LFT-Agenten, den er im Verdacht hatte, an all diesem Unglück hier schuld zu sein.
    »Er ist transportfähig«, sagte Barber und steckte das Diagnosegerät weg. »Rasch, bringt ihn hoch zur Medostation!«
    Er bedeutete mehreren seiner robotischen Helfer, mit ihrer Prallfeldliege näher zu kommen und den Agenten zu bergen. Sie nutzten Antigravs und gingen dabei ungemein vorsichtig vor.
    Der Ferrone schob Bull grob beiseite, als der ihm im Weg stand, und bahnte sich einen Weg durch die Nachdrängenden.
    Bull starrte den beiden Ärzten hinterher. Khosrau hätte keine besseren Betreuer bekommen können als dieses kongeniale Duo. Der Ferrone wies alle Tugenden auf, die man früher einem Feldscher zugesprochen hatte: Er hatte ein geübtes Auge für die Möglichkeiten und die Unmöglichkeiten seines Berufsstandes, und er tat stets das, was notwendig war. Sei-bei-mir hingegen erstellte dank seiner Feinfühligkeit Diagnosen mit einer Treffsicherheit, die selbst die eines Aras übertraf.
    Khosrau sah schrecklich aus. Umso mehr, als er nur noch diesen einen schrecklich zugerichteten Arm besaß. Der andere musste abgerissen oder durch die Explosionshitze zerstört worden sein.
    Was war geschehen? Hatte Khosrau mit dieser Katastrophe etwas zu tun, war er ihr Auslöser gewesen und hatte sich selbst nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen können?
    An einen Zufall mochte Bull nicht glauben. Khosrau war die Schlüsselfigur in diesem Rätsel, keine Frage.
    »NEMO?«
    »Ja, Reginald?«
    »Khosrau muss nach allen Regeln der Kunst in der Medostation isoliert werden. Ich verlange völlige Abschottung. Es ist immer noch unklar, ob er ein Verräter ist oder beeinflusst wird. Ich möchte nicht, dass sich seine und die Wege des Onryonen irgendwie und irgendwann kreuzen.«
    »Verstanden.«
    Bull schaltete die Verbindung zu NEMO weg und beobachtete interessiert, wie die Schiffspositronik dank ihrer unzähligen Helfer diesen Bereich der JULES VERNE allmählich wiedereroberte. Die Daten-Infrastruktur wurde weitaus rascher wiederhergestellt, als die eigentlichen Schäden behoben wurden.
    Bull fühlte ein unangenehmes Brennen in der Magengegend. Er vertraute der Positronik. Doch der selbstverständliche Allmachtsanspruch war irritierend. Wie auch die Idee, Lebewesen an das Maschinenwerk anzupassen und nicht umgekehrt. War es wirklich erstrebenswert, sich mithilfe von SERT-Hauben in die Informationswelt eines Kampfschiffes einzudenken?
    Er stand eine Weile unschlüssig da und beobachtete den Fortgang der Aufräumarbeiten. Spezialisten der Spurensicherung waren längst zugange. Doch auch sie wussten keine Antwort auf die Frage, was denn hier eigentlich geschehen war.
    »Sprengladungen«, sagten sie. Und: »Explosionen. Geschosse. Enorm große Hitzeentladungen.«
    Wrackteile zweier TARAS wurden sichergestellt sowie die Leichname der beiden Sicherheitsoffiziere. Einer von ihnen hätte es trotz schwerster Verletzungen beinahe geschafft.
    Bull ballte die Hände zu Fäusten. Sie waren um etwa drei Minuten zu spät gekommen. Er würde zwei jener Schriftstücke verfassen müssen, die er so sehr hasste. Gerichtet an Partner, an Kinder oder an Eltern. Versehen mit der Schlussfloskel, dass man diesen schweren Verlust bedaure, und dem Versprechen, dass man immer für die Hinterbliebenen da sein werde. Dann noch ein protziges, offizielles Siegel draufgestempelt – und weg damit. Nur ja nicht mehr drüber nachdenken ...
    »Die Auswertung wird eine Weile in Anspruch nehmen«, sagte eine Offizierin der Spurensicherung. »Wenn du uns nun bitte allein lassen könntest? Wir müssen in Ruhe arbeiten.«
    Bull nickte der Frau zu und verließ den Gang. Erleichtert öffnete er den Schutzanzug, nachdem er die abgesicherte Zone hinter sich gelassen hatte. Er schwitzte trotz des eifrig arbeitenden Gebläses. Die Haare standen kreuz und quer, sein Mund war trocken.
    Er überlegte, ob er in die Zentrale zurückkehren sollte. Doch Togoya hätte sich bei ihm gerührt, wenn sie mit der Situation nicht zurechtgekommen wäre

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