PR 2722 – Altin Magara
ihn als altklug und zu reif für sein Alter. Doch niemand hatte bislang einen Erwachsenen in seinem zu klein geratenen Körper vermutet, der binnen Sekundenbruchteilen zum Berserker werden konnte.
»Du hättest nicht hierherkommen dürfen, Kleiner«, sagte Tekener. »Es ist ja schön, dass du dich bedanken möchtest, aber ...«
»Ein Geschenk, Herr. Ich habe etwas mitgebracht. Für mein Leben und das meiner Mutter. Ihr müsst es annehmen, Herr.« Satafar legte die mitgebrachte Schachtel auf den Boden und nestelte daran herum.
»Ich danke dir. Aber es war für mich selbstverständlich ...«
»Bitte, Herr!«
Tekener zögerte. Und trat einen Schritt näher. Die Umrisse des Schutzschirms waren nun deutlich zu erkennen.
Satafar griff in die Schachtel. Er zog ein selbst geformtes Gipsgesicht hervor. Das Abbild jenes Mannes in Maske, der ihm gegenüberstand. Die Arbeit wirkte unbeholfen wie die eines Zehnjährigen. Daneben lagen Süßigkeiten. Türkischer Honig, in fingergerechte Portionen geschnitten.
»Vielen Dank, Kleiner«, sagte Tekener. »Aber jetzt ...«
»Warte bitte!« Satafar griff zwischen die Süßigkeiten. Er genoss die Spannung des Augenblicks. Esendemir neben ihm stampfte nervös von einem Bein aufs andere. Wahrscheinlich würde er sich bald seiner Pflichten erinnern. Doch er konnte nichts mehr an dem ändern, was nun geschah.
Satafar aktivierte den Signalgeber.
12.
Ronald Tekener
Noch einige Minuten
Das Kind holte mit spitzen Fingern ein Stück der grässlich süßen Mehlspeise hervor. Es lachte zufrieden, wollte ihm den türkischen Honig reichen ...
Ein Ton, den er mit Gefahr verband, ließ Tekener zusammenzucken. Ein Angriff! Ihre Feinde hatten darauf gewartet, dass er das Yali verließ.
Die Agenten links und rechts neben ihm fühlten seine Unruhe. Sie sahen sich um, besprachen sich über Funk mit der Leitstelle im Inneren des Gebäudes.
»Verschwinde von hier, Junge! Rasch!«, sagte Tekener. Routinemäßig überprüfte er die Funktionstüchtigkeit seines Schutzschirms und zog die Waffe.
Der Ton schwoll weiter an. Und plötzlich waren sie da: Robotsonden. Drohnen, die aus der Höhe herabstachen. Auf sie zu. Auf das Yali zu. Fliegende Geschosse, wahrscheinlich mit todbringender Fracht.
Tekeners Reflexe setzten ein. Er visierte eine der Drohnen an, schaltete die Waffe auf Streustrahlung, feuerte und traf. Die Drohne ähnelte einem überdimensionierten Raben. Er traf einen Flügel und brachte das mechanische Geschöpf zum Trudeln. Es fiel in die holografische Darstellung des Bosporus, in diese Schnittstelle zwischen Sein und Schein. Touristen und Ortsansässige erkannten die Gefahr, die ihnen von oben drohte. Terraner schrien laut auf und liefen in Panik davon, manche in die falsche Richtung.
Die Drohne prallte auf und explodierte. Sie musste eine Mikrobombe mit gewaltiger Streuwirkung bei sich getragen haben. Der Boden unter Tekeners Beinen erzitterte. Das Grollen war ohrenbetäubend, die Druckwelle drohte ihn von den Beinen zu reißen. Gegenstände flogen durch die Luft: Tische, Stühle, zerfetzte Plast- und Metallteile, Früchte, Waren aller Art. Ein Mensch schrie, dann noch einer.
Das Kaffeehaus hinter ihm brannte. Eine zweite Drohne war dort abgestürzt.
Er musste eine schreckliche Entscheidung treffen: für Bostich und gegen unbeteiligte Menschen, die verletzt worden waren, bluteten, im Schock umhertorkelten und keine Ahnung hatten, in was sie hier geraten waren.
Die virtuelle Simulation einer Märchenstadt namens Altin Magara machte der Realität Platz: Rings um sie war nackter Fels. Schluchten, die mit einem Mal höchst bedrohlich wirkten, wurden von den Kunstsonnen nur mangelhaft ausgeleuchtet. Das Aurelit, das Goldimitat, verstrahlte kaum noch Glanz. Staubwolken stieben hoch. Sie erschwerten zusätzlich die Orientierung inmitten dieses Chaos.
Tekener drehte sich schnell im Kreis und verschaffte sich einen Überblick über die Lage. Er musste zurück ins Yali, gemeinsam mit den Celistas. Um den Imperator zu schützen. Um ihn so rasch wie möglich von hier fortzuschaffen. Um Unterstützung durch den TLD anzufordern.
Der Junge! Er konnte ihn nicht einfach stehen lassen!
Vier Drohnen explodierten binnen weniger Sekunden, und mit jeder Detonation erreichte die Panik ringsum einen neuen Höhepunkt.
Er trat auf den Jungen zu. Sein Begleiter, Aydin Esendemir, lag auf dem Boden und tat keinen Atemzug mehr. Ein unterarmlanger Plastiksplitter steckte tief in seiner
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