PR Action 22 Feinde Des Lebens
zurückhaltend wurden, wenn sie mit einem von uns Unsterblichen zusammentrafen, hatte Tanisha mit Rhodan und mir gesprochen, als wären wir Nachbarn und Freunde. Sie hatte alles Recht der Welt, zu weinen.
Und ich? Mein Name ist Betty Tbufry. Ich bin 201 Jahre alt. Obwohl ich dank einer Zelldusche im Alter von 24 Jahren auf gehört habe zu altem, sehe ich sogar jünger aus als diese 24 Jahre.
Meinen Vater habe ich erschossen, und meine Mutter ist schon lange tot. In meinem Leben gibt es keinen Mann, den ich liebe, keine Kinder, die ich großziehen könnte - um ihnen dann beim Sterben zuzusehen, weil sie älter werden, während ich nicht altere.
Ich hielt eine weinende Tanisha im Arm. Wie von selbst lösten sich auch bei mir Tränen. Ein weinendes Mädchen an der Brust, das als Jugendliche behandelt werden wollte und doch so voller kindlicher Ängste war, konnte ich endlich weinen.
*
Die beiden Frauen hielten sich eng umklammert. Ich kann es nicht ertragen, wenn Frauen weinen. Meine Mutter hatte geweint, wenn Vater abends nicht heimkam. Bis er dann eines Abends nicht mehr heimkam und sie wochenlang weinte.
Meine Mutter weinte, als ich ging. Wir hatten oft gestritten - über Politik, über das Leben und die Art, wie man sein Leben zu gestalten hatte. Aber richtig gestritten hatten wir, als sie mir erklären wollte, dass Nert Hermon da Tarkalon und seine Familie Leid und Schmerz über Tarkalon gebracht hatten.
Für mich war er immer ein Vorbild gewesen. Man konnte eine Welt wie Tarka-lon nicht mit Liebe und Mitgefühl führen. Die Zeiten waren hart. Überall lösten sich Welten aus den großen Machtblöcken und suchten die Selbstständigkeit. Die Kraft zur Selbstständigkeit hatten wir Tarkas, nur fehlte uns die Stimme, die uns führte, und die Hand, die uns leitete.
Abends, auf den Versammlungen, hörte ich einige jener Stimmen und spürte etwas von dem Geist, der die Kraft haben könnte, Tarkalon zu einen. Doch wir wurden verfolgt. Wir durften nicht unsere Meinung sagen, obwohl die Provisorische Regierung meinte, wir wären es, die kontrollieren wollten, was gesagt wurde. Lügner. Weichlinge. Versager.
Meine Mutter hatte versagt, weil sie meinen Vater nicht hatte halten können. Auch mich hatte sie nicht halten können. Ich habe sie seit über zwei Jahren nicht mehr gesehen. Was wohl aus ihr geworden ist?
Bis jetzt hatte ich nie einen Grund gehabt, zu ihr zurückzukehren. Vielleicht deshalb, weil ich tief im Inneren glaubte, dass ihr nichts passieren würde. Doch in den letzten Tagen erwischte ich mich immer öfter bei Gedanken an sie. Ging es ihr gut? Was machten meine Cousins und meine Tante? Was war aus unseren Nachbarn geworden?
Tanisha hier wiederzutreffen hatte mich an Dinge aus einer sorgloseren Zeit erinnert. Wir hatten gemeinsam gespielt, waren aufgestiegen auf den Geysiren und hatten die Welt von oben gesehen. Klein war sie damals gewesen. Von oben sahen die Probleme so winzig aus, als könnte man sie mit wenigen Handstrichen lösen.
Nur unten auf dem Boden erkannte man dann, wie schwierig manche Dinge waren, die von oben so einfach aussahen.
Zwei weinende Frauen, ein Mann.
Ich hatte Betty ein Gespräch versprochen. Ich musste Tanisha erklären, was auf Tarkalon passiert war. Und wir mussten uns in Sicherheit bringen, bevor sich die Sonne wieder verdüsterte. Erst kam der Schatten, dann der kühle Wind, dann der Tod.
*
Tanisha hatte sich die Nase zum wiederholten Male geschnäuzt; Tadran sah aus, als würde er reden wollen und warte nur darauf, dass wir mit dem Flennen aufgehört hätten. Männer! Ich rieb mir verstohlen die Augenwinkel und hoffte, dass ich nicht komplett verheult aussah.
»Lange nicht gesehen, Tanisha«, begann er das Gespräch. »Was treibt dich auf einmal wieder zu mir?«
Tanisha schaute ihn mit großen Augen an. »Tadran, weißt du noch, was wir gemacht haben, wenn wir nicht wussten, wie wir zum Startpunkt zurückkommen sollten? Wie du den jungen Wolkenreitern gesagt hast, sie sollen sich einfach über Funk melden und beschreiben, wo sie runtergekommen sind, damit wir sie holen gehen konnten?«
»Natürlich erinnere ich mich.«
»Und wie du dich immer gewundert hast, warum ich immer allein zum Startpunkt zuruckfand?«
»Ich habe mir oft Gedanken darüber gemacht, wie du das hinbekommen hast. Aber ich hab nie eine Antwort gefunden.«
»Heute hab ich jemand gebraucht, der mir hilft, zum Startpunkt zuruckzukom-men. Da hab ich an dich gedacht. Wie oft du es mir angeboten
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