PR Action 36 Sonnendämmerung
Feuer dieser kosmischen Esse erstirbt, können wertvolle Metalle oder Hyperkristalle abgebaut werden. Aber bis es so weit ist, wird der Planet brennen und leuchten.«
»Wie eine kleine Sonnendämmerung«, flüsterte Iwan.
Tatjana Michalowna schleuderte ihr Weinglas zu Boden. Es zersprang klirrend, und die Scherben bildeten ein Muster, das ein wenig an die stilisierte Darstellung des Wega-Systems erinnerte. Beinahe prophetisch wirkte der Umstand, dass über die große zentrale Scherbe, die Wega, der Wein wie Blut floss und allmählich die anderen Splitter ertränkte. Die Mutantin ballte die Hände zu Fäusten. »Und wenn das erst die zweite Eskalationsstufe ist, was hat ES dann als Drittes vorbereitet?«
»Diese tritt ein, wenn dem Missetäter wider alle Erwartungen die Flucht vom Planeten gelingt. Ein äußerst unwahrscheinlicher Fall, aber selbst für ihn hat der Herr von Wanderer Vorkehrungen getroffen.«
Das künstliche Geschöpf, das vor diesen letzten entsetzlichen Tagen stets wie ein freundlicher Diener gewirkt hatte, blieb nach außen hin unverändert, aber keiner der anderen Anwesenden würde Homunk jemals wieder so sehen können wie früher. Er folgte seiner Programmie-
rung und keineswegs irgendwelchen Menschen verständlichen Wertesystemen, die abwogen und relativierten. Homunks moralischer Kompass - wenn man ihn denn so nennen durfte - kannte nur klare Kriterien.
»Niemand darf das Physiotron entgegen dem Willen von ES benutzen und es überleben. Das Physiotron erfüllt in diesem Fall die Funktion eines KollapsProjektors, der nicht nur den Untergang der Systemsonne hervorruft, sondern auch jedes Gewebe zu spontaner Wucherung anregt, das mit den spezifischen Signaturen dieses Physiotrons behandelt wurde. Nichts darf den Missbrauch überleben.«
»ES würde ein ganzes Sonnensystem vernichten und sozusagen mit einer doppelten Sicherung zusätzlich jeden gezielt töten, der jemals dieses Physiotron benutzte? Was sind wir normalen Wesen für das Geisteswesen? Kollateralschäden?«
»Dieser Begriff ist nicht angemessen und verkennt die Dramatik der Situation«, sagte Homunk. Seine Stimme blieb angenehm, keinerlei Schärfe oder Tadel schwang darin mit, nicht einmal Traurigkeit. Es bewies besser als alles andere, dass er kein richtiger Mensch war, sondern nur das Produkt einer hoch entwickelten Technik, die sich den Anschein eines humanoiden Äußeren gab.
»Kannst du diesen Wahnsinn nicht hinauszögern oder stoppen?«, fragte die Telepathin.
»So sieht es mein Auftrag vor, ja. Ich diene als Korrektiv, um minimalinvasive Eingriffe sicherzustellen. Aber nach der bisherigen Entwicklung darf ich die umfassendste Lösung nicht ausschließen. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist mittlerweile sogar beängstigend hoch. Niemand kam bisher auf den Gedanken, ein Phy-siotron zu entführen, und war dabei erfolgreich.«
Tatjana Michalownas Blicke brannten sich in Rhodans Augen fest, während ihre Frage Homunk galt. »Uns bleiben also höchstens 24 Stunden, um Saquola unschädlich zu machen, sonst fliegt uns das ganze Wega-System um die Ohren?«
»Zunächst nur das Physiotron respektive der Planet, auf dem es sich befindet«, korrigierte Homunk.
Rhodan stellte das Weinglas ab. »Wie nahe musst du an das Physiotron heran, um es orten zu können?«
»Ich vermag es nicht besser zu orten als ihr. Eine Entfernung von seinem Standort war nie wahrscheinlich.«
»Aber du wirst diese zellduschende Zeitbombe entschärfen?«
»Sobald der Missetäter beseitigt ist und ich mich am gleichen Ort aufhalte wie das Physiotron - ja.«
Minister Jagrun starrte entsetzt von einem zum anderen. »Und wieso stehen Sie alle noch hier herum?«
4.
Wetterbericht:
Stürmische Zeiten
Der Wind machte ratternde, pfeifende Geräusche, als er das blecherne Windrad in Bewegung setzte. Es drehte sich, wie es das seit über hundert Jahren tat, und trieb das einfache Pumpensystem der Ab-lon-Farm an.
Kate prüfte mit geübten Handgriffen die Ventile am Fuß des sieben Meter hohen Gestänges. Dort oben schmeckte die Luft nach Salz, Staub und Sonne, sie zischte auf der Haut und erlaubte ihr für eine kurze Weile, das Gefühl von Freiheit zu erleben.
»Endlich«, rief sie nach unten. »Der Wind frischt auf.«
»Wird auch Zeit«, antwortete ihre Schwester. »Die Koppeln müssen gesichert werden, falls Regen kommt.«
Kate fuhr mit der Hand das Gestänge entlang. Es war alles in Ordnung unter dem grünblauen Himmel, der wie ein klarer Ozean
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