PR Kosmos-Chronik 01 - Reginald Bull
ausgedehntes Areal mit Rebstöcken vernichtet haben.«
»Wir ... ?« fragte der Major überrascht. Also wußte sie doch nicht alles. Laura Laroom hatte ihr nicht verraten, daß wir uns quasi geschäftlich kennengelernt hatten, über einen Lieferkontrakt für venusischen Wein.
Wer sich der Mühe unterzog, die Besitzverhältnisse der Venus-Terra-Kelterei zu prüfen, stieß sehr schnell auf meine zwanzigprozentige Beteiligung. Kurz nach der Jahrtausendwende, als die Besiedlung der Venus in ein ernstzunehmendes Stadium eingetreten war, hatte ich die ersten Weinstöcke von der Erde exportieren lassen. Es war eine vergleichsweise ruhige Zeit gewesen. Nach zwei Fehlschlägen hatte ich mich mit einem Winzer aus der Rheinpfalz zusammengetan, und Silvester 2015 hatten wir endlich den ersten Venuswein vorweisen können. Die Geschäftsführung war vollständig an Markus Eberle übergegangen, ich hatte mir lediglich die Beteiligung vorbehalten.
»2015«, sinnierte Major Angel und drehte ihr Glas genießerisch. »Für mich ist das Geschichte. Ich könnte Ihnen stundenlang zuhören, Solarmarschall. Halten Sie mich bitte nicht für unverschämt, aber die Unsterblichkeit, ist das nicht die Erfüllung all dessen, was ein Mensch sich nur erträumen kann? Wie ist das, heute schon zu wissen, daß man in tausend Jahren sagen kann: Ich war damals dabei und kenne das aus eigener Erfahrung? — Zweimal durfte ich Atlan erleben. In einer TV-Diskussion, da wirkte er eher wie ein Geschichtenerzähler, aber später auch in der Offiziersschule, aus allernächster Nähe. Der Hauch von Zeitlosigkeit, der ihm anhaftete ... Ich war begeistert von dieser Begegnung und muß heute noch eingestehen, daß ich mich daran orientiert habe. Wer kann schon von sich behaupten, daß er Atlantis gesehen und die großen Persönlichkeiten der Menschheit gekannt hat?«
Was hatte der zehntausendfahrige Arkonide, über das andere Männer nicht verfügten? Major Angel, eine Frau, die, wenn ich sie richtig einschätzte, mit beiden Beinen fest auf dem Boden stand, verlor sich wie ein Schulmädchen in Schwärmereien; ihre Wangen nahmen einen rosigen Schimmer an.
Unvermittelt hob sie den Blick. »Verzeihung, Solarmarschall, wenn ich von Atlan rede, während wir beide, ich meine ... Ich bin Ihnen zu Dank verpflichtet, Sir, und ... Meine Güte, Sie müssen glauben, daß ich nicht weiß, was ich will.« Viel zu hastig trank sie. Unsere Blicke ruhten sekundenlang ineinander. Sie gefiel mir, auch wenn Ihre Nervosität immer deutlicher wurde. Ich stützte die Ellbogen auf den Tisch, verschränkte die Hände und legte das Kinn auf beide Daumen. Wortlos schaute ich Hannah Angel an, ließ mich von dem Flackern in ihren Augen fesseln.
»Ich hatte nicht geglaubt, daß es so schwer sein konnte, mit einem Unsterblichen privat beisammenzusitzen«, stieß sie hervor.
» … was hoffentlich nicht an mir liegt.« Ich lächelte. Obwohl Laura plötzlich einige Meter entfernt stand und mich amüsiert fragend musterte. Sie schien die Spannung bemerkt zu haben, die zwischen dem Major und mir entstanden war.
Hannah schüttelte den Kopf. »Ich bitte um Verzeihung, Solarmarschall.«
»Reginald«, sagte ich.
Sie riß die Augen auf und schnappte nach Luft.
»Und noch etwas, Hannah«, fuhr ich fort. »Unsterblichkeit halte ich inzwischen für den Anfang eines langen Leidensweges. Vor allem ist sie mit dem Ende der Vorstellung verbunden, daß sie wirklich etwas Erstrebenswertes sei.«
Zweimal hatte ich mich mit Hannah innerhalb der folgenden Woche zum Essen getroffen und eine wesentlich lockerere, gelöstere Seite an ihr kennengelernt. Mit ihr zu plaudern hieß, immer wieder Neues zu entdecken, vor allem waren wir uns in mancher Hinsicht ähnlich. Ob es unsere Vorliebe für zeitgenossische arkomdische Fünftonmusik betraf, die seit Jahren von terranischen Musikern in freier Interpretation abgewandelt wurde, ob für einen guten Tropfen oder ein gepflegtes Essen.
Trotzdem fehlte etwas. Ich kaute auf meiner Unterlippe, während ich die festlich gedeckte Tafel musterte. Porzellan, Besteck, Gläser, sogar an Blumen hatte ich gedacht. Fünf schwarzviolette Rosen aus dem Garten — die letzten, die noch brauchbar gewesen waren, weil ich dummerweise vergessen hatte, die automatische Bewässerung anzuschalten.
Die Glasfront zum Garten stand offen. Die Luft schmeckte nach Gräsern und Blüten, hatte aber auch ein salziges Aroma, das der laue Wind vom Goshun-See herübertrug. Die
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