PR Kosmos-Chronik 01 - Reginald Bull
Abenddämmerung hing über der Gobi und versprach Linderung nach der Hitze des Tages.
Das Summen des Türmelders schreckte mich aus meinem Grübeln auf. Zu zeitig für Hannah, zumal der Lieferservice das Essen noch nicht gebracht hatte. Vielleicht John Marshall. Er und Gucky hatten an diesem Abend bei mir aufkreuzen wollen, ein Termin, den ich völlig verschwitzt hatte, als ich Hannah einlud. Ich hatte den Chef des Mutantenkorps nicht mehr persönlich erreicht, um ihm abzusagen, und nur meine Nachricht hinterlassen. Zudem hatte ich mit Gucky meine Probleme gehabt. Unverschämter hätte der Ilt gar nicht grinsen können.
»Hat's dich erwischt, Dicker?«
»Nein.«
Sein Nagezahn hatte spöttisch aufgeblitzt. »Daß du lügst, sehe ich dir an der Nasenspitze an, Bully. Ganz ohne deine Gedanken zu lesen. Ich nehme an, du brauchst einen Anstands-Ilt.«
»Untersteh dich! Wenn ich auch nur deine Schwanzspitze sehe … «
»Keine Sorge. Ich verstecke mich im Schrank.«
Mit der Faust hatte ich ihm gedroht und war das Risiko eingegangen, im nächsten Moment unter der Decke zu schweben, von telekinetischen Kräften neben den Leuchtplatten festgenagelt.
»Du meinst es wirklich ernst, Dickerchen. Wie lange ist es her, daß du zuletzt eine solche Anwandlung hattest?«
»Raus!«
»Schade.« Gucky hatte die Arme verschränkt und mit dem Biberschwanz auf den Boden geklopft. »Ich dachte, wir waren Freunde, aber ich habe mich wohl getäuscht. Sei trotzdem vorsichtig, Bully.«
»Wieso?« Sein Blick hatte mir gar keine andere Wahl gelassen, als die Frage zu stellen.
»Hast du ein Kätzchen auf dem Schoß, bist du bald die Mäuse los.« Sprach's und war teleportiert, bevor ich ihm irgend etwas hatte an den Kopf werfen konnte. Das war vor nunmehr zehn Stunden gewesen, und seitdem hatte ich Gucky nicht mehr zu Gesicht bekommen. Obwohl sein Bungalow in Blickweite lag.
Das Menü wurde geliefert. Zwei Spezialroboter belegten meine Küche mit Beschlag. Kurz darauf wehten verlockende Düfte durch die Räume. Ich hatte Mühe, mein Magenknurren zu ignorieren.
Die untergehende Sonne färbte den Himmel gelblichrot. Trotzdem wurde die Dunkelheit nur unvollkommen sein, weil die Lichter der Millionenmetropole Terrania das Firmament weithin erhellten.
Kerzen! Endlich fiel mir auf, was fehlte. Doch Hannah kam, ehe ich das Versäumnis ausbügeln konnte.
»Donnerwetter!«, entfuhr es mir. Das war so gar nicht die strenge Kommandantin, sondern eine Frau aus Fleisch und Blut. Das Haar hatte sie künstlich bis zur Schulter verlängert und mit eingebetteten Mikrochips in einen holographischen Regenbogen verwandelt. Das Wickelkleid besaß metallischen Schuppencharakter, war bodenlang, dafür aber am Brustansatz knapp gehalten.
Ich ließ den Aperitif bringen.
»Es freut mich, Hannah, daß du gekommen bist.«
»Auf einen schönen Abend«, sagte sie.
Wir tranken, ich küßte sie auf die Schulter, und dann blickten wir hinaus in die beginnende Nacht. Zwei Kugelraumer zogen über das Wohngebiet hinweg.
»Dein Grundstück bietet einen atemberaubenden Rundblick«, sagte Hannah leise. »Auch wenn es pathetisch klingt: Ich glaube, den Herzschlag des Solaren Imperiums zu fühlen.«
»In gewissem Sinne ist es so«, antwortete ich. »Die Ruhe des Sees und die Hektik der Stadt vermischen sich, aber dennoch sind auch die Sterne da. Sooft meine Verpflichtungen es erlauben, sitze ich auf der Terrasse und lasse die Gedanken treiben.«
»Herrlich«, seufzte Hannah sehnsüchtig. »Ein kleines Paradies — nur ein bißchen arg verwildert.«
»Was ... ?«
»Der Garten, Bully. Die Rosen sind vertrocknet, dafür blüht das Unkraut ziemlich üppig.«
»Hauptsache ... Ach was, vergiß es einfach.«
Amüsiert schürzte Hannah die Lippen. »Du wolltest sagen: Hauptsache, es blüht überhaupt etwas? Oder interpretiere ich das falsch?«
»Ich bin kein Gärtner.«
»Es gibt spezielle Roboter.«
Ich zuckte mit den Achseln. Was sollte ich dazu sagen? Mir behagte es nicht, in der Sonne zu liegen, während Roboter herumwuselten, Unkraut jäteten, Laub zusammenkratzten und die Bäume beschnitten. Sobald ich Muße hatte, wollte ich meine Ruhe.
»Das Gestrüpp schaut fürchterlich aus.« Hannah Angel hatte die Gemüsebeete entdeckt. »Was wächst dort? Dornenhecken?«
»Mohrrüben«, sagte ich.
Hannah schüttelte den Kopf.
»Das Dornengestrüpp ist zur Tarnung gegen einen neugierigen Mausbiber«, beharrte ich. »Im letzten Jahr war dort drüben ohnehin der
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