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PR Kosmos-Chronik 01 - Reginald Bull

PR Kosmos-Chronik 01 - Reginald Bull

Titel: PR Kosmos-Chronik 01 - Reginald Bull Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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letzten Nachte mußte ich schlecht geträumt haben. Ein Alptraum. Von Tess und einer Schar rotzfrecher Kinder. Mein Gott, wie viele Jahrzehnte hatte ich schon nicht mehr an sie gedacht?
    Erinnerungen verblaßten eben mit der Zeit.
    Am vierten Tag — nach Problemen mit einem Kompensationskonverter lag ein längerer Aufenthalt im Normalraum hinter uns — platzten meine Überlegungen wie Seifenblasen. »Solarmarschall«, begann Major Angel, »ich wollte schon oft mal mit Ihnen reden. Wann kann ich wieder mit einem eigenen Kommando rechnen? Mir sind vergleichbare Fälle bekannt … «
    »Sie wollen wieder fliegen, Major?«
    »Natürlich!«, platzte sie heraus. »Die Entscheidung liegt bei der Kommission.« »Rekonstruktion der Geschehnisse, Unbedenklichkeitszeugnisse, psychologische Gutachten — all der Quatsch frißt unnötig Zeit und macht selbst gute Leute mürbe.«
    Sie sprach mir aus der Seele. Im Zeitalter lichtschnell arbeitender Positroniken hatte man eigentlich annehmen dürfen, daß Bürokratie auf der Liste der aussterbenden Gewohnheiten stand. Leider schien genau das Gegenteil der Fall zu sein. In manchen Bereichen machte sich eine lahmende Nostalgie breit, die allen Versuchen widerstand, sie auszumerzen. Das würde wohl erst mit NATHANs endgültiger Fertigstellung anders werden. Vor über zwanzig Jahren hatten wir den Bau der lunaren Hyperinpotronik NATHAN begonnen, deren Kapazität eines Tages die des ehemaligen arkonidischen Robotregenten übertreffen sollte. Schon jetzt waren in vielen Bereichen deutliche Verbesserungen zu spüren. NATHAN regulierte das Wetter auf der Erde und überwachte den Raumschiffs- und Güterverkehr zwischen den inneren Planeten. Ebenso wurde bereits eine ungeheure Fülle von Verwaltungsvorgängen erledigt, und das alles wäre ohne unsere Freundschaft mit den Posbis nicht in diesem Umfang möglich gewesen. Innerhalb des riesigen Areals auf Luna gab es eine Konzentrationskuppel mit organisch lebendem Plasma von der Hundertsonnenwelt, das Vorgänge über die rein mechanische Ebene hinaushob und positronisch nur schwer erfaßbaren emotionalen Prozessen unterzog.
    »Ich denke, Major, Ihre Wartezeit wird kürzer ausfallen. Schließlich konnte ich mich persönlich von den Umständen überzeugen«, sagte ich spontan. »Aber warum besprechen wir das zwischen Tür und Angel? Was halten Sie von morgen, 20.30 Uhr in Messe B? Ich hoffe, Sie sind einem guten Glas Wein nicht abgeneigt?«
    Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Ich weiß nicht, worüber ich mich mehr freuen soll, Solarmarschall, über Ihre Hilfe, mir ein neues Kommando zu verschaffen, oder über die Einladung.«
    »Warum nicht über beides?«, schlug ich vor.
    »Danke, Sir!« Sie nahm Haltung an, lächelte und ging. Ich schaute ihr nach, bis sie in einem Seitengang verschwand, und ertappte mich prompt dabei, daß ich sie mit der Tess aus meinem Alptraum verglich. Trotzdem wurde ich die Situation nicht ausnutzen.
    Hannah Angel war für mich tabu. Vorerst.
     
     
    Zwei Monate waren vergangen. Zwei Wochen davon hatte ich endlich in einen Besuch auf Ondhubar investiert. Es war ein Canossagang gewesen, Ladislaus Beckett Bull die Nachricht vom Tod seines Sohnes zu überbringen, und ich hatte wer weiß was dafür gegeben, unter anderen Umständen in den Archibald-Slovan-Bull-Werken aufkreuzen zu können.
    Lange hatte Ladislaus Beckett wortlos und wie versteinert vor dem Panoramafenster seines Büros gestanden und hinausgestarrt auf sein kleines Firmenimperium. Meine Anwesenheit schien er völlig vergessen zu haben. Als er sich endlich wieder umwandte, hatte ich das Gefühl gehabt, einen um Jahrzehnte gealterten Mann zu sehen.
    »Beruflich habe ich alles erreicht, was ein Mann sich wünschen kann«, hatte er gesagt. »Dafür habe ich mein Leben lang geschuftet wie ein Verrückter, Reginald. Meine ganze Kraft und Zeit habe ich in den Wiederaufbau des Planeten und der Werke gesteckt, und der Erfolg gibt mir recht. In einigen Jahren wollte ich mich zur Ruhe setzen und ernten — es ist mein Traum, mit einer Privatyacht die Milchstraße zu durchkreuzen. Weißt du, Reginald, anfangs war ich mehr als schockiert, als M. S. keine Ambitionen zeigte, in die Firma einzusteigen. Irgendwann habe ich dann gelernt, mich damit abzufinden, und während seiner Kadettenzeit entdeckte ich selbst den Reiz der Sterne. Weißt du, wie das ist, wenn man unvermittelt einen Raumfahrer in der Familie hat? Was rede ich?« Er räusperte sich linkisch.

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