PR Kosmos-Chronik 01 - Reginald Bull
sagte Moixan. »Aber Sie sind nicht Borrum?«
»Mein Name ist Reginald Bull. Ich wurde auf Terra geboren, der Welt, die Ihnen als Lemur bekannt ist. Wenn wir davon ausgehen, daß in unseren Adern lemurisches Blut fließt, sind wir sogar Brüder.«
Die Spuren unaufhaltsamen Verfalls waren überall erkennbar. Gleichzeitig erschien es unglaublich, daß der Raumer sich überhaupt in einem solchen Zustand befand.
»Fünfzigtausend Jahre«, murmelte Bully, als jäh das von den Leuchtplatten ausgehende Licht um einige Nuancen abdunkelte. »Eigentlich ein Wunder, daß uns die Konverter nicht um die Ohren fliegen.«
Aus einem Konglomerat von Informationen formte sich allmählich ein einheitliches Bild. Aus Sicht des Schiffskommandanten Borrum hatte er miterlebt, wie zweihundertachtunddreißig Schiffe nach dem Durchgang durch den Gercksvira-Sonnentransmitter im Mahlstrom materialisiert waren. Vermutlich war auch die übrige Flotte infolge der Einwirkung kosmischer Kräfte nicht als geschlossenes Ganzes im Mahlstrom angekommen, sondern in weitere Pulks zerrissen worden. Aber das gehörte in den Bereich von Spekulationen. Wie viele der in das energetisch-materielle Chaos des Mahlstroms verschlagenen Raumschiffe überhaupt noch existierten, würde wohl nie zu klären sein. Alaska Saedelaera und die beiden von ihm geretteten Techniker hatten von degenerierten Artmaccs gesprochen, die einige Kugelraumer als ihr Eigentum betrachteten, aber auch von zerstörerischen Energie-Algen.
Der kleine Raum, in dem Bully von Jonas bewacht worden war, lag auf dem Hauptdeck, nicht einmal zweihundertfünfzig Meter von der Zentrale entfernt, im Winkel zwischen Ausrüstungskammern, in denen einst Raumanzüge für den Fall einer Havarie aufbewahrt worden waren, und einem Verteilerpunkt der Notfallschachte mit Ein-Mann-Rettungskapseln.
»Wir treffen Vorbereitungen, die uns eines Tages wieder zu den Sternen führen werden«, sagte Moixan.
»Gehören dazu Roboter wie Jonas?« fragte Bull, ohne eine Antwort zu erhalten.
Sie erreichten den Ringkorridor vor der Hauptzentrale. Alles was nicht niet- und nagelfest war, hatte man irgendwann abgebaut, angefangen von den Transportbändern bis hin zu den Monitoren der Bordsprechverbindungen. In den Nischen der Steckverbindungen lag der Staub zentimeterhoch.
»Wenn wir eines Tages diese Welt verlassen, werden wir auf Roboter angewiesen sein. Es gibt nicht viele funktionierende Datenverbindungen. Auf den anderen Schiffen sieht es nicht besser aus.« Kammal hob die Schultern. »Vor Generationen, als der Planet begann, seine Umlaufbahn zu verändern, versuchten unsere Vorfahren, gegen den Willen der Artmaccs zu starten. Mehr als einhundert Schiffe fielen den Energie-Algen zum Opfer. In der Folge zerstörten die Raupen an Bord der übrigen Raumer alle Roboter, die ihnen als einzige an Körperkraft ebenbürtig waren.«
»Die Auseinandersetzungen haben unseren Eltern klargemacht, wie sehr sie von den Raupen und ihrem Wohlwollen abhängig waren«, fügte Moixan hinzu. »Sie müssen uns beeinflußt haben, aber durch die Veränderung der Planetenbahn scheint diese Beeinflussung brüchig geworden zu sein. Unsere Vorfahren begriffen allmählich, daß sie nichts anderes waren als Tiere in einem Zoo, dazu verurteilt, ihr Dasein auf einem einzigen Kontinent zu fristen und ihre Raumschiffe vor dem Verfall zu bewahren Aufzeichnungen, die wir selbst erst vor wenigen Jahren wiederentdeckt haben, belegen zwei weitere vergebliche Versuche, diese Welt zu verlassen, die ihrer Sonne rasch näher kommt. In spätestens dreihundert Jahren, haben wir berechnet, wird ein Leben auf der Oberfläche nicht mehr möglich sein.«
»Bis dahin gibt es uns nicht mehr«, ergänzte Kammal. »Es werden kaum noch Kinder geboren. Die Strahlung macht uns unfruchtbar.«
Knirschend öffnete sich ein Nebenschott. Die Zentrale lag im Halbdunkel, lediglich kleinere Bildschirme zeigten eine bizarre, im rasch wechselnden Widerstreit von Licht und Schatten hegende Landschaft.
Staub- und Sandschleier trübten die Atmosphäre. Exotische Pflanzen reckten knorrige Stämme in die Höhe, der in Böen aufgepeitschte Sand hatte sie längst abgeschliffen und verkrustet.
Bei einem ersten Rundblick zählte Bully drei Personen in der Zentrale. Sie waren mit Wartungsarbeiten beschäftigt.
»Was wir über die Funktionen der Raumschiffe wissen, wurde von Generation zu Generation weitergegeben«, sagte Kammal. »Trotzdem ging vieles verloren. Die Prophezeiung sagt,
Weitere Kostenlose Bücher