PR Kosmos-Chronik 02 - Alaska Saedelaere
nicht allein den Anweisungen von ES folgen, sondern uns zugleich bemühen, einen kosmischen Standpunkt in die Betrachtung einfließen zu lassen. Natürlich müssen wir uns zu Wehr setzen, falls Seth-Apophis angreift. Trotzdem dürfen wir nicht vergessen, dass auch diese Superintelligenz eher Hilfe braucht. Das Ziel der Kosmischen Hanse sollte also die Rettung von Seth-Apophis sein, nicht ihre Vernichtung.«
Diese Informationen waren nur eine grobe Zusammenfassung gewesen, und es hätte viele Details hinzuzufügen gegeben. Alaska fand, dass es richtig war, nicht zu sehr in die Breite zu gehen. Ansonsten stand zu befürchten, dass jeder ungewöhnliche Zwischenfall dem Wirken von Seth-Apophis zugeschrieben wurde. Es galt, einer Welle der Hysterie vorzubeugen.
Besser, die Allgemeinheit wusste nicht, dass Seth-Apophis nicht nur Hilfe brauchte, sondern sich in einer verzweifelten Lage befand, in die sie sich selbst gebracht hatte. Durch ihre negative Prägung, die Fixierung auf den eigenen Nutzen und die Ausdehnung ihrer Macht, drohte Seth-Apophis beim nächsten Entwicklungssprung zur Materiesenke zu werden. Um den Zusammenbruch ihrer Mächtigkeitsballung zu verhindern, zumindest aber, ihn hinauszuzögern, versuchte Seth-Apophis, den Herrschaftsbereich der benachbarten Superintelligenz ES zu zerstören, um mit dessen Bruchstücken den eigenen Herrschaftsbereich zu stabilisieren.
Flüchtig dachte Alaska Saedelaere daran, dass Seth-Apophis' Wirken erstmals im vergangenen Jahr in der Milchstraße deutlich geworden war. Neue Zusammenstöße ließen sich gar nicht vermeiden. Hatte die Superintelligenz mit seiner wachsenden inneren Unruhe zu tun, mit den Albträumen, an die er sich nach dem Aufwachen schon nicht mehr erinnerte?
Oder ... , Alaska stockte unwillkürlich, ... vernahm er einen fernen Ruf?
Es gab einen Ort auf Terra, an dem er das vielleicht klären konnte. Obwohl das System der Zeitbrunnen abgeschaltet worden war.
In der Senke zwischen der Westkordillere und den östlichen Berggipfeln erstreckte sich über achthundert Kilometer hinweg die Hochebene des Altiplano.
Der Himmel war wolkenlos und so klar wie ein polierter Kristall. Alaska Saedelaere flog mit einem schnellen Stratosphärengleiter von Terrania City aus auf direktem Kurs. Im schmälsten Bereich der Hochebene, zwischen den beiden schneebedeckten Gebirgszügen, schimmerte ihm der Titicacasee wie ein schmaler Silberstreif entgegen.
Nichts schien sich in den vergangenen Jahrhunderten verändert zu haben, seit Alaska durch den Zeitbrunnen von Derogwanien auf die damals nahezu menschenleere Erde gelangt war. Er fühlte einen Hauch der Ewigkeit. Zwar waren seitdem Jahrhunderte vergangen, doch ihm erschien es, als sei das alles erst gestern gewesen. Zugleich wurde ihm wieder bewusst, was er sonst verdrängte: Er war so alt wie Methusalem, ein Dinosaurier in der heutigen Zeit. »Ein Museumsstück«, murmelte er bitter.
Die Erinnerung wog schwer. Mit einem unwilligen Kopfschütteln verscheuchte Alaska alle lästigen Gedanken. Er zog den Gleiter in den Landeanflug. Die Eisenbahnstrecke von Guaqui nach Viacha existierte nicht mehr. Nur im Bereich von Tiahuanaco schimmerten noch wenige Kilometer Gleise als schmales Band. Die parallel dazu verlaufende Straße wurde ebenfalls nicht mehr instand gehalten. Die wenigsten Menschen benutzten noch bodengebundene Fahrzeuge für die Fortbewegung. Einige Häuser kamen kurz in Sicht — und verschwanden ebenso rasch wieder, als der Gleiter in der Nähe des Sonnentores landete.
Die Ruinen waren weitgehend restauriert. Originalgetreu, verstand sich. Nachdem Medaillon zum Black Hole geworden war, hatte die Erde sehr schnell an Wärme verloren, und die Rückversetzung des Planeten hatte ebenfalls schwere Schäden angerichtet.
Wenigstens tobte kein Blizzard über die Hochebene. Alaska verließ den Gleiter. All die Jahre und Jahrzehnte hindurch hatte er nie das Bedürfnis verspürt, Tiahuanaco wieder aufzusuchen. Zu sehr war für ihn eine der finsteren Epochen der Menschheit damit verbunden gewesen. Dass er ausgerechnet jetzt wieder hier stand, musste er seiner inneren Unruhe zuschreiben.
Die Zaunfragmente im Bereich des Sonnentores existierten nicht mehr. Vorübergehend bezweifelte Alaska sogar, dass der Wiederaufbau der Ruinen an der exakten Position erfolgt war. Zögernd drehte er sich einmal um sich selbst.
Die Bruchlinie, von der rechten oberen Ecke des Tordurchgangs nach außen, entsprach seiner Erinnerung.
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