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PR Lemuria 03 - Exodus der Generationen

PR Lemuria 03 - Exodus der Generationen

Titel: PR Lemuria 03 - Exodus der Generationen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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»Manchmal fühle ich mich schrecklich alt.«
    »Du bist erst fünfundsiebzig.« Mira lächelte, und in diesem Lächeln sah Deshan wieder die junge Frau, in die er sich einst verliebt hatte. Es kündete von einer weiblichen Eleganz, für die das Alter keine Rolle spielte.
    »Und damit eigentlich noch ein junger Mann, nicht wahr?« Er deutete mit dem Stock ins Tal der Stille. »Manche Dinge verändern sich nicht, und dafür bin ich dankbar.«
    Eine Zeit lang schwiegen sie und lauschten der sanften Stimme des Winds.
    Deshan sah zur Bastion. »Vor fünfzig Jahren haben wir dort über unsere Zukunft gesprochen«, sagte er leise. »Weißt du noch?«
    Mira lächelte erneut. »Du hast mich gefragt, wie viele Kinder wir haben werden.«
    »Zehn, habe ich gesagt.«
    »Mindestens, habe ich geantwortet.«
    Erinnerungen flüsterten in ihnen beiden, liebevoll gehütet.
    »Es sind elf geworden«, fügte Mira hinzu. »Und wir haben bereits achtzehn Enkel und zwei Urenkel.«
    »Ein großes Haus«, sagte Deshan. Das war einer der Gründe, warum er sich für einige Wochen ins Tal der Stille zurückgezogen hatte: um im Zentrum mnemonischer Beschaulichkeit, in aller Ruhe, seine Aufzeichnungen zu ordnen und an Levian Paronns Chronik zu arbeiten.
    »Wie kommst du voran?«, fragte Mira.
    Deshan antwortete nicht sofort. »Du hast recht gehabt.«
    »Womit?«
    »Mit dem Bruch in der Gesellschaft. Damit, dass sich Lemurs Geschichte für immer verändern würde. Paronn muss damals gewusst haben, dass sich eine solche Entwicklung nicht vermeiden ließ. Deshalb hat er im wahrsten Sinne des Wortes die Maske fallen lassen und den Bruch an einer Stelle vollzogen, von der aus er die Entwicklung steuern konnte. Ich nehme an, während der Jahrzehnte davor hat er genau darauf hingearbeitet. Als Verkünder rief er die Bewegung der Sternensucher ins Leben und gewann immer mehr Anhänger für sie. Und als Levian Paronn unterstützte er das Projekt Exodus mit einem Teil des Ressourcenpotenzials von Impetus. Durch sein Wirken ist praktisch eine neue lemurische Gesellschaft entstanden, mitten in der alten.« Deshan zögerte kurz. »In den letzten Monaten hat es zwei Anschläge auf Paronn gegeben.«
    Mira sah ihn verblüfft an. »Davon hast du mir nichts gesagt.«
    »Weil diese Sache strenger Geheimhaltung unterliegt, sowohl bei den Sternensuchern als auch beim Koordinierenden Konzil des Großen Solidars. Seit vielen Jahrhunderten hat es bei uns keine Attentate mehr gegeben. Es zeigt, wie groß die Veränderung in der lemurischen Gesellschaft ist. Neid, Missgunst, Dinge, die in unserer solidaren Gemeinschaft eigentlich keinen Platz haben... Sie schlagen jetzt wieder Wurzeln und wachsen. Die eine Seite glaubt, dass ihr die andere etwas wegnimmt.«
    Deshan senkte den Blick zum Tal mit dem türkisfarbenen See, ließ ihn dort ruhen. »Was deine Frage betrifft: Ich komme gut voran mit der Chronik. Es hat sich viel Material angesammelt, das sortiert und kommentiert werden muss. Die Ruhe hier hilft mir. Aber schon nach zwei Tagen habe ich begonnen, dich und die anderen zu vermissen.«
    Mira legte ihm die Hand auf den Arm. »Deinen Enkeln und Urenkeln fehlt der Opa und Uropa. Angeblich erzählst du die besten Geschichten.«
    »Ich bin Chronist«, sagte Deshan nicht ohne Stolz. »Morgen muss ich die Arbeit unterbrechen. Es geht erneut hinauf.« Er zeigte zum Himmel empor.
    »Mit Paronn?«
    »Ja. Wir benutzen den neuen Astrolift. Levin Paronn will die nächste Phase des Projekts Exodus präsentieren. Es scheint ein recht großes Medienereignis zu werden.«
    »Deshan...«
    »Ja?«
    »Wie kann jemand unsterblich sein?«
    »Ich weiß es nicht. Aber er ist es ganz offensichtlich. Jedenfalls wird er nicht älter. Vielleicht steckt sogar das hinter den Anschlägen: Neid auf seine Unsterblichkeit. Oder jemand will beweisen, dass er doch sterblich ist.«
    »Könnte er wirklich der zurückgekehrte Zwölfte Heroe sein? Hältst du das für möglich, Deshan?«
    »Mehr als eine Million Lemurer glauben fest daran und arbeiten ganz oder teilweise für das Projekt Exodus, unter ihnen viele Verdienstvolle.«
    »Was glaubst du?«
    »Ich weiß nicht, was ich glauben soll, Mira. Aber wenn jemand unsterblich ist, so spricht einiges dafür, dass es sich nicht um einen normalen Menschen handelt.«
    »Ich meine nur... Wenn er wirklich Vehraato ist... Vielleicht gibt es dann die Gefahr, die uns allen von den Sternen droht.«
    Deshan seufzte, leiser als der Wind in den Baumwipfeln. Dann stand er

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