PR Lemuria 05 - Die letzten Tage Lemurias
verstreichenden Sekunde schneller, ein stählernes, zweihundertdreißig Meter durchmessendes Geschoss, das durch den interplanetaren Weltraum raste.
»Aktiv- und Passivortung noch immer negativ«, rief Palanker durch den Maschinenlärm.
Bardons vage Furcht, dass im letzten Moment etwas schiefgehen, das überraschend Raumschiffe der Bestien im Torbu-System auftauchen würden, schwand dahin, während die KOLOSCH weiter beschleunigte. Das Schicksal schien es gut mit ihnen zu meinen. Aber die Angst wich nicht völlig.
Triumphiere nicht zu früh!, mahnte er sich. Noch befinden wir uns nicht in der Sicherheit des Halbraums.
»Halbraumgeschwindigkeit in minus sieben Mnuten«, meldete Ronnok nach einer Weile.
Das Warten zerrte an Bardons Nerven. Er schloss einen Moment die Augen und dachte wieder an Jercy. Er sah vor sich das schmale, samtbraune Gesicht seiner Frau, ihre großen Augen, die ihn stets voller Liebe und Wärme angesehen hatten, bis der Tod sie ihm grausam entrissen hatte.
Doch der Tod würde seinen Schrecken verlieren.
Bald, sehr bald, würden Jercy und die Kinder bei ihm sein, und er würde nicht einmal mehr wissen, dass er sie verloren hatte.
Er lächelte bei dem Gedanken und spürte erneut, wie seine Augen feucht wurden. So viele Tränen hatte er um seine Familie vergossen, so viele Stunden um sie getrauert. Der Kummer hatte ihn zerfressen und gleichzeitig angetrieben, ihn mit einer heiligen Entschlossenheit erfüllt, die alle Widerstände überwunden hatte.
Und er hatte Erfolg gehabt.
Den alten Göttern Lemurs sei Dank!, dachte er. Sie haben mich nicht im Stich gelassen...
»Halbraumgeschwindigkeit in minus einer Minute«, sagte der Navigator.
Das Brummen der Hyperdimwandler wurde lauter, intensiver. Bardons Sitz begann im an- und abschwellenden Rhythmus der transformierten Energien zu vibrieren, und auf dem Hauptbildschirm wurde der Schleier des sich aufbauenden Halbraumfelds dichter, bis er wie ein rötlicher, durchscheinender Vorhang die Finsternis des Weltraums verdeckte.
»Aktiv- und Passivortung weiter negativ«, berichtete Palanker.
»Kein Funkkontakt mit dem Verband«, fügte Shadne hinzu.
Die Sekunden vertickten.
Ronnok räusperte sich. »Halbraumphase beginnt... jetzt.«
Abrupt wechselte das Bild auf dem Hauptmonitor. Der interplanetare Raum wich den rötlichen, wallenden, pulsierenden Schlieren des Zwischendimension, aber das Wummern der Impulstriebwerke wurde nicht leiser, sondern verstärkte sich noch, als der Navigator die Schubleistung erhöhte.
»Triebwerksleistung bei einhundertzehn Prozent. Alle Systeme arbeiten einwandfrei«, erklärte Ronnok. »Wir sind auf dem Weg nach Radon.«
Bardon seufzte. Plötzliche Unruhe zwang ihn, von seinem Sitz aufzuspringen. Bis sie die lemurische Agrarwelt erreichten und die Flüchtlinge den lokalen Behörden übergeben konnten, würden noch knapp drei Stunden vergehen. In dieser Zeit war seine Anwesenheit in der Zentrale nicht erforderlich. Er konnte die Überwachung des Fluges seiner Führungscrew überlassen.
»Übernimm du das Kommando«, wies er seinen Ersten Offizier an. »Sollte es Zwischenfälle geben, kannst du mich über Interkom erreichen.«
Palanker nickte, und Bardon verließ die Zentrale. Zwei Crewmitglieder bewachten das Hauptschott. Er nickte ihnen kurz zu und musterte die Flüchtlinge, die im Zentralkorridor lagerten. Die KOLOSCH verfügte nicht über genug Kabinen, um eintausend Passagiere unterzubringen, aber der Flug dauerte ohnehin nur ein paar Stunden. Es war besser, einige vorübergehende Unannehmlichkeiten hinzunehmen, als auf Torbutan im Atombrand zu sterben.
Er wanderte durch die Korridore des Hauptdecks, sprach mit den Flüchtlingen, spendete Trost und Ermunterung, und die Dankbarkeit, die in den Augen der Männer, Frauen und Kinder leuchtete, bestätigte ihm, dass sie das Richtige taten, auch wenn die Evakuierung wertvolle Zeit kostete.
Aber dann musste er an die Bestie denken, von der Paronn ihm berichtet hatte, die Bestie in dem roten Kampfanzug, die durch die Zeitmaschine in die Suen-Basis gelangt war. Sie hatte sich völlig untypisch verhalten, wenn er den Erzählungen der Flüchtlinge glauben durfte. Sie hatte sich bei den schweren Kämpfen in der Stadt gegen ihr eigenes Volk gestellt und mehrere ihrer Artgenossen getötet.
Etwas Derartiges war in der Geschichte des fast hundertjährigen Krieges noch nie geschehen. Die Bestien waren bisher immer als monolithischer Block aufgetreten. Nichts hatte auf
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