PR NEO 0039 – Der König von Chittagong
Händen, um, in Plastiksäcken dem Sonnenlicht ausgesetzt, getrocknet und als Heizmaterial verkauft zu werden. An der einzigen Wasserstelle stellten sich Dutzende Frauen und Kinder an, um Zweiliterflaschen oder kleinere Behälter gefüllt zu bekommen.
Ein Kind hatte seinen Plasma-Acker gegen das Blech einer Behausung geklebt. Er war auf Sparmodus geschalten und zeigte verwackelte Nachrichtenbilder. Perry Rhodans Gesicht wurde mehrmals eingeblendet, dann das von Crest. Kakuta hatte Mühe, ruhig zu bleiben, als Porträts einiger bekannter Mitglieder des Mutantenkorps gezeigt wurden. Sein Gesicht stand an prominenter zweiter Stelle.
Der Junge sah desinteressiert zu, blickte ihm ins Gesicht und dann gleich wieder weg.
Niemand erkannte ihn. Er trug eine neue Frisur, die Haare waren leicht getönt, der Dreitagebart vervollständigte die Tarnung. Niemand erwartete, dass der geheimnisvolle Tako Kakuta in Chittagong herumschleichen würde.
Sie ließen sich treiben. Lauschten den Gesprächen. Suchten nach Spuren des Jungen namens Sandhya. Kakuta hieb nach Mücken, die ihn umschwirrten. Die Viecher begleiteten jeden der hier Ansässigen. Die Bewohner von Chittagong wurden von Schwärmen umgeben geboren und wurden die Plagegeister bis zu ihrem meist viel zu frühen Tod nicht mehr los.
Was er in der Stadt zu sehen bekam, machte betroffen. Hier war von der schönen, neuen Welt, die Perry Rhodan den Bewohnern der Erde versprochen hatte, nichts zu erkennen. Diese armseligen Gestalten waren Verlierer der Globalisierung. Der Anstieg des Meeresspiegels während der letzten Jahre hatte nahezu ein Viertel der Gesamtfläche Bangladeschs unter Wasser gesetzt, und da weder Geld noch Interesse der Weltgemeinschaft vorhanden gewesen waren, um für Schutz zu sorgen, waren Abermillionen Einwohner gestorben oder umgesiedelt oder in bitterste Armut getrieben worden.
»Ich hasse es«, murmelte Sengu, und Kakuta wusste nur zu gut, was mit diesem es umschrieben werden sollte.
»Wir werden es ändern. Es geht bloß nicht so rasch voran, wie wir es uns wünschen.«
»Meinst du wirklich, dass sich das hier besiegen lässt?« Sengu beschrieb mit der Hand einen Bogen, die die ganze Umgebung umfassen sollte. »Kann man diese Monstren namens Armut und Not jemals kleinkriegen?«
»Ja«, antwortete Kakuta im Brustton der Überzeugung. »Weil es bislang bloß Ausweglosigkeit gab – und wir mit dem Weg zu den Sternen eine Alternative anbieten. Eine Vision. Neue Kraft. Gib den Leuten ihren Glauben an eine bessere Welt zurück – und sie wird entstehen.«
Sie gingen weiter, gaben sich so unauffällig wie möglich, hörten und sahen sich um. Stets darauf bedacht, einander den Rücken freizuhalten und Gefahren, die in den Schatten lauerten, rechtzeitig zu bemerken.
Und dennoch wurden sie überrascht.
Es waren die Frauen. Dünne, ausgemergelte Weiber mit ledriger Haut, wie sie im Straßenlabyrinth Chittagongs und seiner Vororte allgegenwärtig waren. Sie kümmerten sich um Kinder oder Enkel, unterhielten sich angeregt in ihrer Singsang-Sprache oder erledigten vor den Eingängen zu bescheidenen Hütten ihren Haushalt. Die Frauen wurden mit einem Mal zu laut kreischenden Furien. Sie schwangen Hieb- und Stichwaffen. Stumpfe Küchenmesser, rostige Metallstücke, Prügel aus bizarr verschmolzenen Kunststoffteilen. Mit lautem Geschrei kamen die Frauen auf die zwei Männer zu.
Ein Fischernetz bedeckte Kakuta, dann noch eines. Nur Sengus schneller Reaktion war es zu verdanken, dass er kurz darauf wieder freikam. Eine der Frauen, etwa vierzig Jahre alt, stach mit einer Glasscherbe nach Kakutas Gesicht. Er wich instinktiv aus und hieb ihr mit der Handkante gegen den Unterarm, prellte ihr die primitive Waffe aus den Fingern. Packte sie, nutzte ihren Schwung aus, schleuderte sie im Halbkreis von sich, auf andere Angreiferinnen zu. Verschaffte sich Respekt und Platz. Um nachzudenken. Sollte er gemeinsam mit Sengu die Flucht ergreifen? Teleportieren?
Der Freund, der eben die Köpfe zweier Frauen zusammenkrachen ließ, erahnte seine Gedanken. »Nein«, keuchte er und zog Kakuta mit sich, auf das vermeintliche Ende der schmalen Gasse zu. »Hier gibt's einen unbewachten Ausgang.«
»Dort ebenfalls.« Kakuta deutete nach links auf einen Trampelpfad zwischen zwei Wellblechhütten. Dahinter ließ sich ein kleines Stück blaugrauen Himmels erahnen.
»Nein. Dorthin wollen sie uns treiben.« Sengu trat einer heranstürmenden Frau gegen die Hüfte; sie stolperte
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