PR NEO 0039 – Der König von Chittagong
Rohstoffe gutes Geld brachten, und hier, Tausende Kilometer entfernt, dachte man ebenso. Was in diesem Viertel angeboten wurde, wirkte beeindruckend – und war dennoch wertloser Tand. Jener Handel, bei dem viel Geld verdient wurde, fand woanders statt.
»Du wirkst so nachdenklich«, sagte Sengu.
»Ich habe mich an etwas erinnert.«
»Du solltest dich auf unsere Aufgabe konzentrieren.«
»Das tue ich doch. Ich höre mit einem Ohr zu, was die Händler zu erzählen haben. Vielleicht haben sie etwas von unserer Zielperson gehört.« Kakuta log. Er war in früheste Erinnerungen abgeglitten, in eine Zeit, da er noch nicht im Camp Specter kaserniert gewesen war.
Die Zielperson. Ihren Informationen nach handelte es sich um einen zehnjährigen Jungen, der Metall durch seinen Blick schmelzen lassen konnte und der von einem regenbogenartigen Schimmer umgeben wurde. Sandhya wurde von einer wachsenden Anzahl Chittagonger verehrt.
Ein Mann näherte sich ihnen. Er lächelte verschmitzt und rückte das schmuddelige Kopftuch zurecht, während er sie einholte und neben ihnen herging mit der Selbstverständlichkeit eines Touristenführers.
»Ihr braucht Hilfe«, sagte er in prononciertem Englisch. »Und Bankim bringt Hilfe.«
»Welche Art von Hilfe meinst du?«, fragte Kakuta.
»Keine Frauen, keine Kinder, keine Knaben«, versuchte Bankim ihr Misstrauen zu zerstreuen. »Ich weiß, dass ihr bereits mit Rabindranath gesprochen habt. Um ehrlich zu sein, war er es, der mich auf eure Spur gesetzt hat. Er meinte, mit euch ließe sich mächtig viel Geld verdienen. – Hat er denn recht, der kleine Hosenscheißer?«
Kakuta wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Es widerstrebte ihm, mit einem Bekannten Rabindranaths Geschäfte zu machen. Andererseits hatten die Geschehnisse des heutigen Tags bewiesen, dass sie in einer Umgebung wie dieser kaum zurechtkamen. Sie brauchten Hilfe.
»Wir sind nicht reich. Aber wir werden dich angemessen entlohnen, solltest du uns Informationen beschaffen.«
»Angemessen ist ein Wort, das sich nach allen Seiten dehnen lässt, das man drehen und strecken kann, wie man möchte.« Bankim verbeugte sich. »Aber ich bin noch hier, und das bedeutet: Ich möchte euch glücklich machen und euch helfen.«
»Wie schön«, brummelte Wuriu Sengu.
»Wir suchen eine bestimmte Person«, sagte Tako Kakuta. »Eine Person, deren Namen hier oft genannt wird und über die man trotzdem so gut wie nichts zu wissen scheint.«
»Wenn es sich um einen der Starken Männer handelt, bleiben meine Lippen versiegelt.«
Kakuta überlegte den Sinn des Begriffs Starker Mann. Es waren wohl die Warlords gemeint, die sich mit den offiziellen Regierungsorganen der Stadt Chittagong arrangiert hatten.
»Kein Starker Mann, Bankim. Wir suchen einen Jungen. Etwa zehn Jahre alt. Er streift angeblich hier umher wie ein Geist, ist nicht zu fassen, und doch scheint ihn jedermann zu kennen ...«
Ihr neuer Bekannter blieb abrupt stehen. »Ihr meint den Schatten«, sagte er mit zittriger Stimme. »Sandhya.«
»Ja.«
»Ich kann euch leider nicht helfen.« Bankim faltete die Hände vor seinem Gesicht und verbeugte sich zum Gruß.
»Wir haben uns noch nicht einmal über die Höhe deiner Belohnung unterhalten ...«
»Ich bin ein ehrlicher Betrüger, meine Freunde, und ich weiß, wann ich zurückstecken muss. Sandhya ist ein Geschöpf, das nicht existiert – und wenn doch, dann möchte ich nichts mit ihm zu tun haben.«
»Du fürchtest dich?«
Von einer nahen Moschee schallten die Aufrufe des Imam zum Nachmittagsgebet. Die Worte des Geistlichen ließen Bankim zusammenzucken. »Ja, ich fürchte mich. Hierbei geht es um Dinge, die mir zu groß sind – und euch ebenso. Lasst es bleiben, Fremde.«
»Tausend Taka für den richtigen Hinweis!«, rief Kakuta Bankim hinterher.
Der Mann blieb wie erstarrt stehen – und drehte sich dann um. Er zeigte einen verkniffenen Gesichtsausdruck. »Ihr bringt mich in eine Klemme«, sagte Bankim. »Das ist so viel Geld, dass es unmoralisch wäre, das Angebot abzulehnen. Andererseits könnte es meinen Tod bedeuten, würde ich euch helfen.«
»Es sieht so aus, als müsstest du eine schwere Entscheidung treffen.«
»Tausend Taka ... Das bedeutet Nahrung und Unterhalt für zwei Monate für die gesamte Familie. Schulgeld für meinen Bruder. Geld für die Beinoperation meines jüngsten Sohnes. Die Anzahlung für eine Reparaturwerkstätte im Zentrum Chittagongs, auf die ich schon seit Jahren ein Auge geworfen
Weitere Kostenlose Bücher