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PR NEO 0041 – Zu den Sternen

PR NEO 0041 – Zu den Sternen

Titel: PR NEO 0041 – Zu den Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc A. Herren
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Und Kamele sind Wüstentiere.«
    Rodrigo kniff die Augen zusammen. Irgendetwas an dem liegenden Tier störte ihn. Aber das immer stärker werdende Schneetreiben verhinderte einen ungehinderten Blick.
    Er löste die Sicherheitsgurte und schwang sich aus dem Wagen. Beißend kalter Wind schlug ihm ins Gesicht.
    »Was soll das?«, ereiferte sich Alexej.
    »Du wartest hier!«, befahl Rodrigo und warf die Tür zu, bevor der Kasache weiter protestieren konnte.
    Er schloss den Reißverschluss seiner Jacke, zog sich die Kapuze über und hängte den Rucksack über die Schulter. Dann stapfte er auf das unförmige Etwas zu.
    Rodrigo war sich sicher, dass er zuvor eine Bewegung gesehen hatte. Ein Winken?
    Als er sah, was er vor sich hatte, begann sein Herz schneller zu schlagen. Mit weit ausholenden Schritten legte er die letzten Meter zurück.
    Tatsächlich lag ein Kamel ausgestreckt am Boden. Auf den glasigen Augen landeten Schneeflocken. Die Zunge ragte schlaff zwischen den braunen Zähnen hervor.
    Und zwischen den Vorderläufen, eingewickelt in einer dünnen Decke und dem zotteligen Haar des toten Tieres, saß ein Junge.
    »Dios!«, fluchte Rodrigo, während er sich hinkniete.
    Er hatte immer noch Mühe, das Alter von Asiaten einigermaßen zuverlässig einzuschätzen. Der Junge mochte ein, zwei Jahre jünger sein als er. Sechzehn, vielleicht auch erst vierzehn. Die fiebrig blickenden Augen lagen tief in ihren Höhlen. Die Wangen wirkten eingefallen. Zeichen der Entbehrung.
    »Wie heißt du?«, fragte Rodrigo. Der Translator formulierte die Worte automatisch auf Russisch.
    Die Lippen des Jungen zitterten. »Juri«, brachte er schließlich hervor.
    »Ich bin Rodrigo«, sagte er, während er aus der Winterjacke schlüpfte. Sofort drang die Kälte schmerzhaft durch seinen Pullover. Er erinnerte sich an die Temperaturanzeige von Alexejs Geländewagen. Minus zwanzig Grad Celsius hatte sie angezeigt. »Aber du kannst mich auch Ruy nennen, wie dies meine Freunde tun.«
    »Du bist zurückgekommen«, stammelte Juri. »Ich habe die Lichter deines Wagens gesehen, aber ich kann meine Beine nicht mehr spüren. Ich konnte nur einen Arm heben.«
    »Wie lange bist du schon hier draußen?«, fragte Rodrigo.
    Er zog Juris Körper an sich, legte ihm die Jacke um und zog ihm die Kapuze über den Kopf.
    »Zwei Tage. Ich wollte im nächsten Dorf Lebensmittel holen, als Amir zusammengebrochen ist.«
    »Amir ist dein Kamel?«
    »Amir ist tot«, sagte Juri tonlos. »Er war alles, was mir geblieben ist nach der Katastrophe. Nun bin ich ganz allein.«
    Rodrigo rieb über Juris Oberarme und Ohren, um ihn zu wärmen. »Ich werde dich mit nach Baikonur nehmen, Juri.«
    Etwas regte sich in Juris Gesicht, was zuvor nicht da gewesen war. Argwohn? Zorn? »Du bist ein Raumfahrer?«
    »Ich will einer werden«, antwortete Rodrigo. »Es war schon immer mein Traum, nun will ich ihn verwirklichen.«
    Juris Gesicht verdüsterte sich. »Ich wollte auch immer zu den Sternen«, sagte er mit zitternden Lippen. »Wie Juri Gagarin. Aber dann kam die Katastrophe und ...« Juri presste die Lippen aufeinander und schwieg.
    »Was für eine Katastrophe?«, fragte Rodrigo.
    In Juris Gesicht arbeitete es. Aber er schien sich davor zu fürchten, das auszusprechen, was ihm auf der Zunge lag.
    Rodrigo konzentrierte sich auf Juris Beine und rubbelte so intensiv an ihnen, dass Juri einen kurzen, schmerzerfüllten Schrei ausstieß.
    »Ich muss deinen Kreislauf in Bewegung bringen«, sagte Rodrigo. »Dann gehen wir zusammen zum Wagen. Okay?«
    »Okay.«
    Rodrigo schrak zusammen, als plötzlich ein lautes Hupen erklang.
    Er drehte sich um und schrie: »Ich komme gleich!«
    »Du bist nicht allein?«, fragte Juri sogleich.
    »Ich wurde abgeholt. Aber der Fahrer ist nicht der freundlichste Mensch, dem ich begegnet bin. Kannst du aufstehen?«
    »Ich ... ich versuch's.«
    Rodrigo de Vivar ergriff den Jungen unter den Schultern und half ihm, sich aufzurichten. Aber die Beine vermochten das Gewicht nicht zu tragen. Juri knickte ein, und Rodrigo musste seine gesamte Kraft aufwenden, um ihn nicht zu Boden fallen zu lassen.
    Alexej drückte erneut auf die Hupe. Einmal, zweimal. Dann ließ er sie nicht mehr los.
    »Hör auf und fahr den Wagen hierher!«, schrie Rodrigo.
    Der nervtötende Laut brach ab.
    »Komm endlich!«, erklang die ungeduldige Stimme des Kasachen.
    Heißer Zorn stieg in Rodrigo auf. »Komm du hierher!«
    Er versuchte, zusammen mit dem Jungen einen Schritt zu gehen, aber dessen

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