PR Odyssee 05 - Das strahlende Imperium
abschätzen lassen. Die Physiker bleiben somit (heraus)gefordert. Ob und wie Zeitreisen möglich sind, bleibt deshalb unklar -und die Wissenschaftler sollten sich nach alternativen Strategien umsehen, um den Paradoxie-Einwand vielleicht anderweitig zu entkräften. Hawking lässt sich seine Zuversicht trotzdem nicht nehmen: »Es gibt immerhin ein starkes empirisches Indiz für die Richtigkeit der Vermutung - wir erleben keine Invasion von Touristen-Horden aus der Zukunft.«
Das Selbstkonsistenzprinzip
»Vielleicht ist die größte Überraschung des letzten Jahrzehnts, dass Zeitreisen nicht offensichtlich von den Gesetzen der Physik verboten werden. Die Frage lässt sich wohl erst beantworten, wenn eine angemessene Theorie der Quantengravitation entwickelt ist«, sagt William A. Hiscock, Physik-Professor an der Montana State University in Bozeman.
Müssen Physiker zukünftig logische Albträume befürchten? Glücklicherweise gibt es noch andere Möglichkeiten, Zeitreisen den Stachel des Paradoxen zu ziehen. Beispielsweise könnte der Zeitreisende gar nicht in der Lage sein, den Vater zu ermorden. Vielleicht verfehlt er ihn oder wird plötzlich von Mitleid überfallen? Hier kommt das schwierige Problem der Willensfreiheit ins Spiel. Wenn all unser Handeln gewissermaßen in den Gesetzen und Randbedingungen des Universums vollständig beschlossen liegt, also determiniert ist (oder hin und wieder rein zufällig geschehen), und wenn die Natur keine Paradoxien erlaubt, dann könnten wir selbstverständlich auch keine erzeugen. In diesem Zusammenhang wies schon David Lewis auf die >offensicht-liche, aber leicht übersehene Erklärung< hin, »dass Menschen oft Ziele nicht erreichen, die normalerweise gut im Bereich ihrer Fähigkeiten liegen«.
Auf das schwierige philosophische Terrain der Willensfreiheit wollen sich Physiker freilich nicht gern begeben. Außerdem betrachten viele ein Autonomieprinzip als Voraussetzung oder notwendige Bedingung für die Möglichkeit experimenteller Wissenschaft. Es besagt, dass sich jede materielle Anordnung erzeugen lässt, die durch physikalische Gesetze örtlich erlaubt ist, ohne dass wir uns dabei um den Rest des Universums zu kümmern brauchen. (Freilich wäre selbst mit der Existenzannahme einer starken Form der Willensfreiheit nicht alles Gewollte auch physikalisch möglich. So schaffen es Menschen unter normalen Umständen und ohne Hilfsmittel nicht, sich entlang der Decke eines Zimmers zu bewegen oder einen Kilometer in einer Minute zu laufen.) Doch könnte man das Autonomieprinzip nicht durch ein Selbstkonsistenzprinzip ersetzen und dadurch die logisch bösartigen Auswüchse von Zeitreisen verhindern? Diese Überlegung stammt insbesondere von Igor Novikov. Aber schon 1949 haben John Wheeler und Richard Feynman vermutet, dass kausale Einflüsse aus der Zukunft - wenn sie möglich sind -, in der Vergangenheit keine Paradoxien erzeugen können. Dem Selbstkonsistenzprinzip zufolge sind Zeitreisen also nur möglich, wenn sie harmlos sind, das heißt keine physikalischen Widersprüche zulassen: Ereignisse auf einer geschlossenen zeitartigen Kurve sollen sich demnach nur so beeinflussen können, dass keine Kausalitätsverletzungen entstehen. »Die Gesetze der Physik verhindern automatisch das Paradoxon«, meint Novikov. »Wenn eine Zeitschleife existiert, können die Ereignisse darin nicht hinsichtlich früher und später unterschieden werden. Das ist ähnlich wie mit zwei Leuten, die sich auf einem Kreis bewegen. Von ihnen lässt sich auch schlecht sagen, wer vor und wer nach dem anderen geht.« Doch diese bizarre Konsequenz impliziert noch kein Paradoxon. »Ohne Zeitmaschine sind Ereignisse nur von ihrer Vergangenheit, aber nicht von der Zukunft beeinflusst. Mit Zeitmaschinen müssen heutige Ereignisse widerspruchsfrei mit - und das heißt determiniert von - der Vergangenheit, aber auch der Zukunft sein!«
Novikov, Thorne und andere argumentieren seit 1989, dass das Selbstkonsistenzprinzip tatsächlich ausreicht
und die Entwicklungsbedingungen des Universums trotzdem nicht in einer inakzeptablen Weise einschränken. Um dies zu demonstrieren, spielten sie Wurmloch-Billiard.
Die Idee geht auf Joe Polchinski von der Universität von Texas in Austin zurück. »Könnte eine Billiardkugel so durch ein Wurmloch fliegen, dass sie in ihrer eigenen Vergangenheit ankommt, auf sich selber stößt und ihr früheres Pendant damit so aus der Bahn lenkt, dass es das Wurmloch verfehlt?« fragte er
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