PR Odyssee 05 - Das strahlende Imperium
Fest steht bislang nur, dass die quantenphysikalische Rückwirkung als universeller Zeitschutz nicht ausreicht und ein allgemeiner Schutzmechanismus - wenn überhaupt - in einer noch nicht vorhandenen Theorie der Quantengravitation zu suchen ist.
Hawking versuchte mit Näherungsrechnungen jedenfalls schon einmal zu zeigen, dass Quantenfluktuationen gewaltige Energien erzeugen, die beispielsweise Zeitreisende töten würden. Womöglich zerstören sie auch die Wurmlöcher selbst. Grund wäre beispielsweise eine Verletzung der so genannten schwachen Energiebedingung, die zu selbstzerstörerischen Effekten des Quantenvakuums führt. Allerdings ergaben Berechnungen von Kip Thorne und Sung-Won Kim am Caltech und unabhängig davon auch von Valeri Frolov in Moskau, dass diese Energien nicht unendlich groß
werden können, weil die Planck-Zeit bei 10 -43 Sekunden ihrem Wachstum ein Ende bereitet. Eine kürzere Zeitspanne scheint es nicht zu geben, also vermögen die Fluktuationen sich hier nicht mehr weiter exponentiell zu verstärken und ebben wieder ab.
Doch Hawking wandte ein, dass dies nur für einen äußeren Beobachter gilt, im zeitlichen Bezugssystem der Fluktuation der Energieanstieg aber länger dauert. Für den äußeren Beobachter würde die Energieschwelle daher umgerechnet erst 10 -95 Sekunden vor der Entstehung des Wurmlochs wirksam - zu spät, um die Zeitmaschine zu verschonen.
Hawkings Rechnung erwies sich aber als unzureichend. Und Li-Xin Li von der Universität Peking zeigte, dass ein Spiegel das katastrophale Anwachsen der Quantenfluktuationen verhindern und sie ins Weltall ablenken kann. Der Spiegel müsste zwischen die eng benachbarten Wurmlöcher gebracht werden und so groß sein wie deren Schlünde. Ob auf diese Weise jedoch auch Fluktuationen der Gravitationsfelder so weit zu zähmen sind, dass sie für die Zeitmaschine ungefährlich bleiben, ist noch immer eine offene Frage.
Doch es gibt noch weitere Argumente gegen Zeitmaschinen. Matt Visser zufolge sollten Quanteneffekte verhindern, dass sich die beiden Wurmlochöffnungen zusammenbringen lassen. Er vermutet, dass die Geometrie des Wurmlochs die Energiedichte des Vakuums so stark erhöht, dass diese größer wird als die negative Energiedichte, die notwendig ist, um das Wurmloch offen zu halten. Es müsste daher kollabieren, bevor die Zeitreise angetreten werden kann.
Und Hawking überlegte: »Wenn die Raumzeit so stark gekrümmt ist, dass Reisen in die Vergangenheit möglich sind, können virtuelle Teilchen, die in geschlossenen Schleifen durch die Raumzeit reisen, zu realen Teilchen werden, die sich mit Lichtgeschwindigkeit oder langsamer vorwärts durch die Zeit bewegen. Da diese Teilchen die Schleife beliebig oft durchlaufen können, passieren sie jeden Punkt auf ihrem Weg sehr häufig. So schlägt ihre Energie wieder und wieder zu Buche, was zu einem entsprechenden Anwachsen der Energiedichte führt. Dadurch könnte die Raumzeit eine positive Krümmung erhalten, die Reisen in die Vergangenheit ausschließen würde. Noch ist nicht klar, ob diese Teilchen eine positive oder negative Krümmung verursachen oder ob die Krümmung, die bestimmte Arten virtueller Teilchen hervorrufen, durch die Krümmung, die auf Einwirkung anderer Arten zurückgeht, aufgehoben wird.«
Bisher ist freilich das letzte Wort zu diesem Thema noch nicht gesprochen. Die Näherungsrechnungen sind zu grob, und genauere Theorien gibt es noch nicht. Die Vermutung zum Schutz der Zeitordnung ist nicht vollständig (es gibt beispielsweise Schwierigkeiten im Umgang mit Singularitäten), und Hawking musste Details revidieren. »So bleibt die Frage von Zeitreisen offen«, gibt Hawking zu. »Ich werde darauf jedoch keine Wette abschließen. Der andere könnte ja den unfairen Vorteil haben, die Zukunft zu kennen.«
Immerhin konnte Lisa Dyson kürzlich mit viel beachteten Berechnungen einen weiteren Punktesieg für Hawking erringen. Die Studentin am Massachusetts
Institute of Technology fand ein überzeugendes Beispiel für eine physikalische Begründung von Hawkings Zeit-schutz-Vermutung. »Wir wissen, dass die Allgemeine Relativitätstheorie nicht die ganze Geschichte sein kann. Sie ist eine Theorie der Schwerkraft, aber es gibt noch andere Kräfte, die die Welt regieren: die starke, schwache und elektromagnetische Wechselwirkung. Wenn wir verstehen, wie all diese Kräfte zusammenhängen, werden wir vielleicht entdecken, dass diese vereinheitlichte Theorie Zeitreisen nicht
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