PR Odyssee 05 - Das strahlende Imperium
unmöglich machen - analog zur Hypothese der kosmischen Zensur<, mit der Physiker ihren Glauben zum Ausdruck bringen, dass es keine nackten Singularitäten gibt, sondern diese immer artig von einem Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs bedeckt sind, ihre abstrusen Auswirkungen also selbst von den eifrigsten Physik-Voyeuren niemals beobachtet werden können.
Auch für Brandon Carter und Stephen Hawking sind Zeitreisen bloß Trugschlüsse und von der Natur strikt verboten. Hawking formulierte 1992 sogar eine Vermutung zum Schutz der Zeitordnung< (>Chronology Protection Conjecture<), mit der er die Erhaltung der Zeitrichtung postuliert, also die Unmöglichkeit von Zeitmaschinen: »Danach verhindern die Naturgesetze in ihrem Zusammenwirken, dass makroskopische Körper Informationen in die Vergangenheit tragen können.« Die Welt bliebe für die Historiker somit in Ordnung. »Es scheint, als gäbe es eine Behörde zum Schutz der Zeitordnung, die die Entstehung von geschlossenen zeitartigen Kurven verhindert und damit das Universum vor Historikern sicher macht.«
Das entscheidende Wort dabei ist >scheint<, und in der Fachliteratur gibt es bereits weit über 200 Artikel, die sich mit den technischen Feinheiten und der Überzeugungskraft der Vermutung auseinander setzen. Immerhin hat der Ansatz den Vorteil, dass man gewissermaßen den Kuchen zugleich essen und behalten kann. »Er liefert einen Rahmen, der allgemein genug ist, um interessante Topologien und Geometrien zu erlauben, aber er hält die unerquicklichen Nebeneffekte unter Kontrolle«, kommentiert Visser, der auf einem Symposium zu Ehren von Hawkings sechzigstem Geburtstag einen viel beachteten Übersichtsvortrag zum Problem der Zeitreisen in der Physik gehalten hat.
»Das Problem vieler Vorschläge ist, dass sie unphysikalisch sind«, meint Visser zum Reigen der vorgeschlagenen Zeitmaschinen. »Wir sagen dazu >Müll rein
- Müll raus<: Wer unrealistische Annahmen in die Gleichungen steckt, braucht sich nicht zu wundern, dass er zu verrückten oder praktisch nie nutzbaren Ergebnissen gelangt. Bloß weil man eine formale Lösung für eine Klasse von Differenzialgleichungen hat, folgt daraus noch keine physikalische Realität einer entsprechenden Raumzeit.« Gödel-Universen beispielsweise seien per Definition >überall gleichermaßen krank in ihrer Raumzeit<.
Bei lokalen - im Gegensatz zu globalen - Zeitmaschinen verhält es sich freilich nicht so einfach. Doch auch hier gibt es Beispiele für einen Zeitschutz der Natur: Roger Penrose von der Oxford University überlegte 1974, dass an der Schockfront kollidierender Gravitationswellen eine Verwerfung in der flachen Raumzeit entstehen müsse und diskontinuierliche Sprünge über sie hinweg Signale in die Vergangenheit befördern könnten. Graham M. Shore von der University of Wales hat jedoch 2003 gezeigt, dass dies nicht möglich ist, wenn man die Wechselwirkung zwischen den Gravitationswellen nicht vernachlässigt.
Einzelbeispiele sind aber kein allgemeiner Beweis. Vielversprechender ist da ein Theorem von Sergei Krasnikov, der am Pulkovo-Observatorium im russischen St. Petersburg forscht: Zeitmaschinen können ihm zufolge im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie nicht gebaut werden, sie könnten höchstens immer schon existieren. Aber das ist, wie die Wurmlöcher zeigen, schon bedrohlich genug.
»Mit Wurmlöchern ist es eine andere Sache«, gibt Visser zu. »Die Raumzeit muss in Regionen mit normalem und in andere mit abnormalem Kausalverhalten unterteilt werden, welche von einem ChronologieHorizont getrennt sind. Quantenphysikalische Effekte bei diesem Horizont sollten die Basis für die ZeitschutzVerordnung bilden.«
Hawking hat diesen Horizont als einen Ort beschrieben, an dem Photonen gleichsam in der Zeit kreisen können. Dabei, so seine Argumentation, würden sie immer mehr Energie gewinnen - und zwar unendlich viel quasi in Nullzeit. Die Energiequelle müsse letztlich die Raumzeit selbst sein, die den Chronologie-Horizont ausmacht. Doch weil die von ihr gespeisten Photonen und das mit ihrer Energie verbundene Gravitationsfeld notwendig auf die Raumzeit zurückwirken, wird diese drastisch verändert, sodass sich die Zeitkreise auflösen. Zeitmaschinen müssen sich demzufolge mit ihrer Inbetriebnahme gleichsam selbst zerstören.
Die entscheidende Frage ist hier freilich, ob Quanteneffekte diese Effekte forcieren oder aber unterdrücken. »Die Antwort lautet: es kommt drauf an«, sagt Visser.
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