PR Rotes Imperium 01 - Die fossile Stadt
Anzugsquantronik. »Die Werte liegen bei elf Prozent. Ich schalte ihn ab…«
»Einen Scheißdreck wirst du tun!«, fuhr Amaya die KI an. »Ich bin die Expeditionsleiterin, und ich verbiete dir, Judas zu töten!«
Ihre Gesundheitswerte schoben sich ein Stückchen in die Höhe. Das Adrenalin tat ihr gut; es half im Kampf gegen die vielfältigen Verletzungen, die sie davongetragen hatte.
»Akzeptiert«, sagte Schreyvers Quantronik gelassen, aber auch lauernd. »Wie mir Cori zeigt, geht es dir ebenfalls nicht besonders gut…«
Amaya Yo begann zu weinen, und im selben Moment wunderte sie sich, dass ihr Körper noch die Kraft fand, Tränen der Wut zu produzieren. Wie hatten sie es jemals so weit dazu kommen lassen können, dass sie ihr Leben diesen vermaledeiten künstlichen Intelligenzen anvertrauten? Warum, um alles in der Welt, gingen sie derartig riskante Verbindungen ein, wenn sie letztlich nichts anderes als einen… einen Trägerkörper für die Quantroniken darstellten?
Sie holte tief Atem, trotz der Schmerzen, beruhigte sich, so gut es ging, und zog sich auf einen Standpunkt zurück, den man ihr während ihrer Ausbildung empfohlen und eingetrichtert hatte. Ganz weit oben schwebte sie nun, sah sich selbst aus der Vogelperspektive, und beurteilte so nüchtern wie möglich.
»Du dockst Judas bei mir an«, befahl sie seiner Quantronik. »Wir verlassen diese Zwischenstation gemeinsam. Komme, was wolle. Die Verbindungsstrecke ist bereits initialisiert. Mach dich bei Cori schlau. Und du wirst alles unternehmen, um meinen… Mann am Leben zu erhalten.«
Der Transfer gelang. Über eine Strecke von 18 relaisgeschaltenen Transmittern, die sie für Sekundenbruchteile aus dem Transportnetz des Roten Imperiums ausgeklinkt hatte und nun für ihre Zwecke missbrauchte.
Kein Mensch bemerkte etwas. Gegnerische Quantroniken mochten die Spannungsschwankungen registrieren und in Statistikspeichern ablegen. Doch derlei geschah ständig, insbesondere nahe des Siamed-Systems mit seinen komplizierten Planetenkonstellationen.
Judas lebte noch. Die Vitalwerte zeigten ein stetes Auf und Ab. Ein miniaturisiertes Prallfeld hielt die graue Gehirnmasse in seiner zerbrochenen Schädelschale; Hemmer, Blocker und Pusher taten in allen Körperregionen das, was mit Hilfe moderner Schmerzmedizin möglich war; Nanomaschinchen trieben durch Blutbahnen und reparierten die nach außen hin nicht erkennbaren Schäden; ein externer Herzklumpen, frisch angesetzt, tat sein Bestes, um das Kunstwerk Mensch am Leben zu erhalten.
»Wie sieht’s aus?«, fragte Amaya Yo seine Quantronik.
»Er ist stabil, auf äußerst niedrigem Niveau. Doch er benötigt dringend weiterreichende ärztliche Hilfe.«
»Geht nicht«, sagte die Anjumistin knapp. »Wir sind nach wie vor im Einsatz. Solange unsere Mission nicht beendet ist, haben wir kein Recht zurückzukehren.«
Amaya blickte sich um. Sie befanden sich in einer Baracke, auf einem der wenig gepflegten Außenposten des Roten Imperiums. Genauer gesagt: in einem staubigen Verschlag, der den Transmitter beherbergte und seit mehr als drei Jahren nicht mehr benutzt worden war.
Hier gab es nichts, das ihnen weiterhelfen konnte. Und dennoch durften sie sich von diesem Ort nicht wegrühren.
Judas holte röchelnd Luft. Die Öffnung, die einmal sein Mund gewesen war, war von kleinen Krabblern übersät. Ablegern, die Plasmawürmern ähnelten, deren Fähigkeiten aber bei Weitem nicht erreichten. Sie kauten sich durchs verbrannte Fleisch und legten jene Teile frei, die rettenswert erschienen.
Amaya sah Zahnsplitter, ein rundes Etwas, das Teil des Gaumens sein mochte, von Entzündungsbläschen durchsetzte Gewebeteile, einen freigelegten Teil des linken Oberkiefers.
Sie erinnerte sich, was sie von Judas vor zwei Tagen verlangt hatte, kurz vor ihrem Aufbruch. Wort für Wort kam zurück, erhielt nun eine eigene, ganz neue Bedeutung:
»Es ist die wichtigste Mission unseres Lebens«, sagte sie. »Nichts anderes hat mehr Bedeutung. Ich liebe dich, Judas; aber ich werde dich bedenkenlos zurücklassen, wenn ich merke, dass du bei unserem Auftrag hinderlich bist. Und ich möchte, dass du mir schwörst, dasselbe für mich zu tun.«
»Aber…«
»Seht!« Sie ließ ihr Becken weiter kreisen, hob und senkte ihren Körper dabei ganz sachte. So, wie er es am liebsten hatte. »Keine Widerrede, Ich will, dass du es mir schwörst.«
»Du bist meine… Frau«, stöhnte er, »meine Liebe. Mein… Ein und Alles.«
»Es hat keine
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