PR TB 017 Der Flug Der Millionäre
Halt und fiel hin.
Sie rollte zur Seite und stand wieder auf. In wilder Flucht hetzte
sie vom Strand weg, an den Hütten vorbei und in die Steppe
hinaus. Mit einem triumphierenden Aufschrei folgte ihr Garcia. Er war
schneller als sie. Nach fünf Minuten hatte er sie eingeholt.
Breitbeinig stand er vor ihr und hielt sie fest. »Was ist,
Mabel? Angst?« »Ronald wird dich umbringen!«
»Wo ist er denn, dein Schutzengel? Glaubst du denn wirklich,
du könntest jetzt alles Vergangene mit einem Schlag auslöschen
und ungeschehen machen? Das geht nicht, meine Liebe. Was einmal
geschah, ist endgültig. Du hast auf eine hohe Karte gesetzt, und
du hast verloren. Ich auch. Wir haben eben alle verloren. Und jetzt
sei vernünftig… «
»Einen Augenblick, Lopez!« rief Börsinger. Garcia
wirbelte herum. »Ich habe mir etwas Ähnliches gedacht und
bin nicht weit gegangen. Der Schuß rief mich herbei. Los, geh
zur Seite. Mabel, sieh weg jetzt.« Mabel erhob sich langsam.
»Was willst du tun, Ronald?« fragte sie. Börsinger
gab keine Antwort. Er entsicherte das Gewehr. Garcia verfluchte die
Tatsache, daß er keine Waffe bei sich hatte. In seiner Hütte
stand das zweite Gewehr. Aber der Weg dorthin war versperrt. Wenn es
eine Rettung gab, dann nur die Flucht. Auch ohne Waffe. Er konnte
später zurückkehren und sie sich holen.
Ehe Börsinger abdrücken konnte, war er mit einem Satz im
nächsten Gebüsch verschwunden. Zwei oder drei Schüsse
wurden ihm nachgeschickt, dann war Ruhe. Börsinger brachte Mabel
zur Hütte, ehe er die Verfolgung aufnahm Da er der bessere Jäger
und Fährtensucher war, würde es ihm nicht schwerfallen,
Garcia nach gewisser Zeit zur Strecke zu bringen.
Er darf mich nicht kriegen, dachte Garcia und verschnaufte. Er
blickte sich um. Von dem Verfolger war nichts mehr zu sehen.
Vielleicht war er weiter nach Norden gelaufen.
Das Gewehr! Wenn er erst einmal das Gewehr hatte, war Börsinger
erledigt. Ahnungslos würde er zum Lager zurückkehren, und
dann …
Garcia stolperte. Er war während des Gehens fast
eingeschlafen. Er riß sich zusammen und marschierte weiter, die
Augen weit geöffnet und auf die feine Linie des Horizonts
gerichtet, der Meer und Himmel trennte.
Dann, endlich, erblickte er die Hütten. Mabel war nicht zu
sehen. Vielleicht schlief sie.
Vorsichtig näherte er sich der ersten Hütte. Sein Fuß
stieß gegen einen harten Gegenstand. Er blieb stehen und bückte
sich.
Der Revolver.
Er hob ihn auf und überprüfte die Trommel. Noch fünf
Schuß steckten darin.
Er hielt die Waffe schußbereit in der Hand, als er Mabel
plötzlich sagen hörte:
»Laß den Revolver fallen, Lopez. Ich zähle bis
drei.«
Ihre Stimme war dünn und die eines Kindes. Sie trat hinter
der Hütte hervor, das Gewehr auf Garcia gerichtet. »Mabel…
«
»Eins! Wir hatten nicht viel Zeit, aber Ronald brachte mir
bei, wie man damit umgeht. Ich brauche nur abzudrücken. Zwei,
Lopez! Du hast noch fünf Sekunden. Wenn du willst, kannst du
noch 15 Tage leben. Wenn du willst, kannst du aber auch gleich
sterben. Drei, Lopez.« Garcia drückte ab.
Gleichzeitig sah er es an der Mündung des Gewehres aufblitzen
und spürte einen furchtbaren Schlag. Dann löschte die
Detonation sein Leben aus.
Mabel ließ das Gewehr fallen, stürzte in die Hütte
und warf sich aufs Bett. Heftiges Schluchzen erschütterte ihren
Körper, und sie weinte, bis keine Träne mehr kommen wollte.
Dann, von der unbeschreiblichen seelischen Anstrengung erschöpft,
schlief sie endlich ein.
Als Börsinger fünf Stunden später von der
erfolglosen Jagd zurückkehrte, brauchte sie ihm nichts mehr zu
sagen. Garcias Leiche hatte ihm alles verraten. Er setzte sich auf
den Rand von Mabels Bett und streichelte ihr sanft über das
Haar.
»Du kannst nun ruhig schlafen, mein Kleines. Er ist tot, und
vor mir brauchst du dich nicht zu fürchten.« Er lachte
rauh auf. »Ich habe meinen Whisky, und der genügt mir.«
Sie fuhr auf, aber als sie ihn erkannte, lächelte sie
beruhigt und sank auf ihr Lager zurück. Sie wußte, daß
sie in Sicherheit war.
Börsinger wartete, bis sie wieder eingeschlafen war, dann
ging er auf Zehenspitzen aus der Hütte. Am Eingang blieb er noch
einmal stehen und betrachtete das Mädchen.
So also hatte die mächtige Mabel Rushton mit zehn Jahren
ausgesehen. Ein schmalhüftiges und dünnbeiniges Mädchen
mit knabenhafter Figur. Er lächelte. Ein Kind, weiter nichts.
Und noch vor wenigen Tagen … Er schüttelte den Kopf und trat
ins
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