PR TB 063 Die Tempel Des Todes
Gift. Ich glaubte zu verstehen:
„Der König... ruft nach Atlan, Atlan... er trank Wein
mit Ti-... und Siegelbewahrer... ruft nach Atlan... "
Sie schwieg erschöpft. Dann wiederholte sie.
„Atlan soll ihn rächen... Ti-annar und Al-chudur...
Ilku-un... "
Dann starb sie.
Ich stand auf, ging schnell hinüber zu dem König, dessen
Augen jede meiner Bewegungen verfolgt hatte. Jetzt schlössen
sich die schweren Lider. Ich legte die Hand auf seine Stirn und zog
vorsichtig die Felle von seinem Körper. Der Dolch hatte ihn
unterhalb der letzten Rippe getroffen, genau im Magen und eine
Handbreit tiefer. Die Wundränder klafften und waren blau
verfärbt, und ich wußte, daß ich nicht mehr helfen
konnte. Das Gesicht des Herrschers war jetzt, im Augenblick des
nahenden Todes, wahrhaft königlich. Starr, umrahmt von der
Schwärze des Haares, bleich und fast edel. Der Mund bewegte sich
unaufhörlich.
Ich blieb neben ihm halb zusammengekauert und faßte an seine
rechte Schulter.
„Wenn du mich verstehst, schließe die Augen. "
Er röchelte, stieß die Luft pfeifend aus und schloß
die Augen.
„Wenn es richtig ist, was ich sage, schließe die
Augen. "
Ich hatte eines der kleinen Geräte angeschaltet, und ein
dünner Draht endete zwischen meinen Fingern in einem runden
Gegenstand.
„Du saßest hier und trankst Wein mit Ti-annar, dem
Priester, und Al-chudur, deinem Siegelbewahrer. "
Er schloß die Augen, und dann trat ein angestrengter Zug in
das gezeichnete Gesicht.
Seine Stimme glich einem unterirdischen Grollen, aber
er sprach mit letzter Willensanstrengung.
„Ich trank Wein mit Ti-annar und Al-chudur. Zwei der Mädchen
tranken auch von dem Wein. Eine von ihnen starb gleich. Die andere
sahst du sterben. Ich konnte mich nicht wehren, als Ti-annar den
Dolch zog. "
„Bevor du stirbst", sagte ich sehr laut, „muß
ich dir sagen: Ich habe Ilku-un mitgebracht. Er lebt und weiß,
daß er deinen Thron besteigen wird. Und ich werde ihm helfen.
Ich werde dich rächen, beim Blitz des Anu. "
Er nickte leicht.
„Innana wird euch helfen. Ti-annar also stach mich nieder,
und Al-chudur hielt mich fest. Gehe zu Lu-basher, hilf meinem Sohn...
und nimm die Mädchen in dein Haus. Sie lieben dich. "
Ich drehte mich schnell um und rief:
„Soldaten!"
Sie kamen herein.
„Fesselt Ti-annar und Al-chudur. Ich klage sie an, den König
getötet zu haben. "
Die Soldaten waren zu langsam. Die beiden Männer flohen, die
Angst verlieh ihnen eine unglaubliche Schnelligkeit.
„Ihr seid dümmer als Läuse", sagte ich zu den
Soldaten. „Schert euch weg und weint um euren König!"
Ich verließ den Palast und fuhr langsam in mein Haus.
Was jetzt geschehen würde, war einzig und allein meine Sache.
Was ich zuerst brauchte, waren Ruhe, Essen und Schlaf. Und vielleicht
eine zärtliche Berührung von Ni-kagina. Gul-la-Nidaba-na,
Sohn der Ga-ur, war ermordet worden. Ich war um einige Stunden zu
spät gekommen, aber ich würde ihn rächen. Und ich
wußte sogar, auf welche Weise.
Beruhigendes Dunkel herrschte. Die Schritte Ni-kaginas wurden
durch geflochtenes, gehämmertes Schilf gedämpft, und eine
Anzahl der runden, gelben Öldochte verbreitete angenehmes und
mildes Licht. Ich hatte gebadet, die zahllosen Insektenstiche und
Schnitte versorgt und lag auf der breiten Liege. Mit Öl, das
über Krautern erhitzt worden war, wurde ich massiert - die
verlorene Energie der letzten zwanzig Tage kehrte langsam zurück.
„Atlan?" Eine Greisenstimme. Ich wandte meinen Kopf.
Ti-yaz-gar stand neben dem trennenden Vorhang.
„Ja?"
„Hast du Zeit, meine Rechnungen zu hören?"
Ich winkte ihn näher. „Sprich!"
Er nahm die viereckige Tontafel und den Griffel aus Schilf, so,
wie ich es ihm gezeigt hatte. Auf dem in der Sonne getrockneten Lehm
befanden sich einfache Zeichen und daneben Zahlengruppen, nicht durch
Symbole, sondern durch zählbare Eindrücke ausgewiesen. Das
schräg aufgesetzte Ende des Schilfs rief längliche,
dreiek-kige Einkerbungen hervor.
„Sechs Personen sind im Haus, das dir gehört, Atlan.
Ich, Ni-kagina und vier Sklaven. Zwei Frauen, ein Gärtner und
einer, der Haus, Wege und Dach reinigt. Wir haben in den letzten
Tagen gekauft, was du uns angegeben hast. Von dem Silber, das du uns
gabst, sind noch vierund-zwanzigmal vierundzwanzig Sekel übrig.
Wir haben alles: Wein, Brot aus dem Ofen, lebende Fische und einige
Stück Vieh. Wir können fast alles, was wir essen, hier
hinter dem Haus herstellen."
Ich mußte
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