PR TB 067 Der Endlose Alptraum
immer genommen wird. Du mußt Ylina
der Erde überlassen. Sie ist tot.
Nun gehst du weiter durchs Land, auf der Suche nach einem neuen
Glück. Du suchst den Schatz. Den Schatz von Askadir. Und endlich
findest du ihn. Du hast der Erde gegeben, aber nun nimmst du ihr. Du
entreißt ihr den Schatz von Askadir. Du öffnest den Deckel
der Schatulle des Glücks, und die Schatulle wird größer,
wächst zu einer großen Schatzkiste an. Dir gehört sie
nun, die Schatzkiste des Glücks - jenes verheißungsvolle
Gebilde ohne Form, das nur ausdrückt und nichts sehen läßt.
Du hast die Schatzkiste geöffnet, und heraus steigt ein
Regenbogen und spannt sich über die ganze Welt. Bald wird alle
Not ein Ende haben, denn du kannst den Regenbogen besteigen. Du
überschreitest das Universum.
Und alle Not hat ein Ende, denn du schwebst im Regenbogen...
Der schöne Traum verblaßte und wich dem Alptraum des
Lebens.
Erdega sah, daß es keinen Regenbogen gab. Er war in einem
fremden Zimmer, durch dessen Fenster das Dunkel der Nacht drang.
»Wir brechen auf«, sagte Janz. »Los, aufstehen,
Erdega.«
Erdega versuchte, sich zu erheben und sank erschöpft ins
Kissen zurück.
»Ich kann nicht«, stöhnte er und hielt sich den
Magen. »Ich habe Schmerzen. Mir krampft sich alles zusammen.«
»Reiß dich zusammen.«
Erdega versuchte, sich »zusammenzureißen«, aber
er war zu schwach, sich aus eigener Kraft auf den Beinen halten zu
können. Der lange Schlaf und der schöne Traum hatten ihm
alle aufgespeicherten Energien abverlangt. Er war zu schwach für
die Wirklichkeit. Und hinzu kamen noch die Schmerzen in seinem Magen.
»Ich stütze dich!«
»Danke, Bruder.«
Die Tür schwang lautlos auf, und sie traten in den finsteren
Korridor hinaus. Erdega sah überhaupt nichts, obwohl aus dem
Zimmer ein schwacher Schimmer des Mondlichtes auf den Korridor
hinausfiel.
»Du kannst gleich wieder schlafen, Bruder. Wir müssen
noch die Treppe und den Schankraum überwinden. Draußen
wartet Ylina mit den Pferden auf uns. Dann reiten wir eine kurze
Strecke. Gallos erwartet uns bereits mit seinem Wagen.«
»Ylina!«
»Still, Bruder, sonst weckst du noch das Gesinde.«
»Sagtest du Ylina, Bruder?«
»Mund halten, Erdega.«
»Aber meine Beine!«
»Ich stütze dich.«
»Mein Körper! Er brennt.«
Es waren Schmerzen, die vorübergehen würden, sagte sich
Erdega. Er hätte sich laut Mut zugesprochen, wenn die Hand vor
seinem Mund nicht gewesen wäre. Wie viele Arme besaß Janz
eigentlich? Er konnte für sie beide einen Weg durch diesen
Dschungel aus Schwärze schlagen, konnte ihn, Erdega, stützen,
konnte die Gespenster in die Flucht schlagen und seinen, Erdegas,
Mund zuhalten.
Licht! Irgendwo in der Schankstube brannte Licht. Eine schwache
Funzel, sicher, aber sie blendete Erdega. Er schloß die Augen.
Seine freie Hand trommelte gegen die Schmerzen in seiner Magengegend.
Seine Beine trampelten gegen den Holzboden.
»Bist du verrückt!« herrschte Janz ihn an. »Du
weckst noch das ganze Haus.«
Erdega wollte sich nur die Beine vertreten. Er wollte die Gewichte
abschütteln, die an seinen Füßen hingen. Aber das
konnte er seinem Bruder nicht sagen. Er hatte ein ehernes Schloß
vor dem Mund. Er konnte nur denken: Ich zerschlage mit den Fäusten
den Schmerz in meinem Körper, ich schleudere die Gewichte von
meinen Füßen... Wenn mein Bruder mich nur verstände!
Aber Janz verstand ihn nicht. Er redete von etwas ganz anderem.
»Die Nebenwirkungen des Schlafmittels werden bald
nachlassen«, sagte Janz. »Aber glaube mir, Bruder, im
Augenblick ist es besser, wenn du körperliche Schmerzen hast.
Das verhindert wenigstens deinen geistigen Zusammenbruch.«
Körperliche Schmerzen?
Erdega lachte auf - die Hand vor seinem Mund schluckte das
Geräusch. Er hatte keine körperlichen Schmerzen. Er war
ganz Gefühl! Wie konnte der Körper etwas empfinden! Es war
wirklich zum Lachen. Erdega nahm sich vor, Janz auf diesen Trugschluß
aufmerksam zu machen. Nicht der Körper empfand den Schmerz, es
war die Seele im Körper, die litt. Ob das bei allen Menschen so
war?
Erdega mußte bei Gelegenheit darüber nachdenken. Jetzt
hatte er keine Muße dafür, das Seele-Körper-Problem
zu erörtern, denn Janz trat mit ihm ins Freie.
Die Finsternis war weg, und auch das blendende Licht war
verschwunden. Sterne. Monde. Und Ylina!
»Du reitest mit uns, Ylina?«
»Ja«, hauchte Ylina. Ihre Augen waren naß. Das
Mondlicht spiegelte sich darin.
»Keine Sorge,
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