PR TB 070 Die Verlorenen Des Alls
Ja, ich will
sofort wieder umkehren. Aber die Augen sagten noch mehr. Michael las
darin, daß Buru-Slim seinetwegen nicht hierbleiben wollte - als
fühlte er Michaels Abneigung gegen sich.
Und Myhra las dasselbe darin!
Sie sagte: „Ach Unsinn. Michael ist in Ordnung. Er hat dich
bestimmt gerne. Nicht wahr, Michael?“
„Na klar“, stimmte Michael mit gespielter Fröhlichkeit
zu. „Wir werden uns schon verstehen, Slim.“
In die Augen des Alfurenjungen kam ein rührender Glanz; eine
kurze, graziöse Bewegung seiner Rechten: Danke!
Während der nächsten drei Stunden erfuhr Michael
Buru-Slims ganze Lebensgeschichte. Myhra plapperte munter drauflos,
und alles, was sie sagte, drehte sich um Buru-Slim. Gemeinsam aßen
sie am Rande des Palmenwaldes, und Buru-Slim verlor immer mehr seine
Scheu. Selbst Onkel Bully, der inzwischen wahrscheinlich von Jedea
informiert worden war, behandelte ihn, als gehöre er schon die
ganze Zeit über zu ihrer kleinen Gemeinschaft. Michael, der nach
dem ersten Kontakt mit Buru-Slim nahe daran war, seine Meinung
grundlegend zu ändern und Buru-Slim zu akzeptieren, wurde
dadurch nur noch mehr in eine Abwehrstellung gedrängt. Niemand
beachtete ihn mehr, es drehte sich alles nur noch um Buru-Slim.
Buru-Slim hin, Buru-Slim her. Buru-Slim hat eine schwere Kindheit
gehabt. Wer kümmert sich eigentlich um ihn? Er ist ganz auf sich
alleine gestellt? Er hat keine Eltern? Das ist toll, ein Zehnjähriger
schlägt sich allein durchs Leben. Und er ist taubstumm. Armes
Kerlchen! Aber Buru-Slim will nicht bedauert werden. Nein! Dann rollt
er vielsagend mit den Augen, macht einige flinke Gesten mit Händen
und Fingern: Bitte kein Bedauern! Und Onkel Bully kann es sich nicht
verkneifen, Michael einen Seitenhieb zu verpassen... hier der
Wohlstand, auf der anderen Seite Armut: aber die Not formt ganze
Männer.
Buru-Slim bringt Glück. Ja, ja, das sagt Myhra. Wer
Buru-Slims Freund ist, hat Glück. Buru-Slim bringt Freude. Und
er kennt die Menschen, er kann die Guten sehr schnell von den Bösen
unterscheiden. Er ist weise, jawohl, sehr weise sogar! Aber Buru-Slim
ist auch edel, viel zu edel, um das auf ihn gehäufte Lob nicht
auch auf die anderen zu verteilen. Es gibt ganz einfach keinen
charakterlich einwandfreieren Menschen als Buru-Slim. Er steht auf
einsamer Höhe und blickt nachsichtig auf die anderen Menschen
herab, denen er gerne ihre kleinen Fehler vergibt...
„Ich gehe ein wenig spazieren“, sagte Michael. Es war
noch früher Nachmittag, aber Michael verspürte zu nichts
mehr Lust. Vier Stunden lang hatte er das Getue mit Buru-Slim
mitangesehen, jetzt hatte er genug davon. Er wollte allein sein.
Ohne ein weiteres Wort ließ er Myhra und Slim am Strand
zurück; er glaubte, den vielsagenden Blick des Alfurenjungen in
seinem Rücken zu spüren, aber er drehte sich nicht mehr um.
Er ging an Onkel Bully vorbei, der auf einem Liegestuhl schlief, und
er sagte zu Jedea kein Wort, die ihn fragend ansah. Er beachtete
nicht einmal den USO-Agenten, der ihm seufzend folgte.
Michael ging ganz einfach. Zuerst war es nur Trotz, der ihn
ziellos durch die Gegend trieb, aber der Teufelskreis seiner Gedanken
ließ Wut in ihm aufkommen, der er sich willenlos ergab. Es war
kalte Berechnung, als er den USO-Agenten abschüttelte, so daß
es den Anschein haben mußte, er habe sich verirrt. Er wußte,
daß Onkel Bully eine großangelegte Suchaktion starten
würde, und hoffte, dadurch wieder mehr ins allgemeine Interesse
zu rücken...
Sie fanden ihn nicht.
Spät am Abend erreichte er das Bungalow-Dorf. Da er barfuß
und nur mit einer Badehose bekleidet fünf Stunden unterwegs
gewesen war, schmerzte ihn der ganze Körper; die Fußsohlen
waren durch die ungewohnten Strapazen aufgeschunden, die Haut auf dem
Rücken brannte ihm von der langen Sonnenbestrahlung. Und er war
unsäglich müde, aber das Chaos seiner Gedanken hatte sich
einigermaßen gelegt. Er erkannte jetzt, daß er unrecht
gehandelt hatte. Er schämte sich. Er war egoistisch, kindisch
und dumm gewesen.
Ich werde mit Onkel Bully darüber sprechen, dachte er. Onkel
Bully war seine ganze Hoffnung, er würde ihm raten, wie die
ganze verfahrene Situation wiedergutzumachen sei. Hoffentlich
verachtete ihn Myhra jetzt nicht. Onkel Bully mußte ihm helfen,
und er mußte ihm erlauben, Myhra auf einen Ausflug in den
Weltraum mitzunehmen.
Michael war unsäglich müde. Er achtete nicht darauf, als
ihm der wachhabende USOSpezialist etwas zurief, sondern suchte
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