PR TB 071 Sturm Uber Babylon
Ich hatte eine
Menge von Andenken mitgenommen, die während der zwei Jahre eine
tiefe Bedeutung erlangt hatten Waffen, Krüge, Bilder, Schmuck
und alles Gold, das ich im obersten Raum der Zikkurat gefunden hatte,
sowie eine Menge anderer Edelmetalle. Die Priester hatten sich nicht
nur mit dem Testen der zukünftigen Sklaven beschäftigt,
sondern auch mit dem Sammeln von Wertsachen.
„Nimm mich mit!" sagte sie plötzlich.
Die Pferde weideten friedlich an den Wegrändern.
„Nein", sagte ich. „Du bist für das Leben in
Babylon geschaffen. Nicht für das Leben in meinem kalten
Palast."
„Du gehst", sagte sie leise, in einer Verzweiflung, die
mich erschütterte. „Warum? War ich dir eine schlechte
Geliebte?"
Ich nahm ihr Gesicht in die Hände und sagte flüsternd:
„Du warst bezaubernd. Du bist die einzige Erinnerung, die
ich gern mitnehme. Du bist nicht der Grund."
„Was ist der Grund?"
Wir küßten uns hungrig und fühlten den Herzschlag
des anderen.
„Der Grund ist die Zeit. Wein gärt, wenn man ihn lange
stehenläßt. Korn verdirbt im Regen, Fleisch verfault in
der Sonne. Ich sterbe, wenn ich länger in Babylon bleibe. Ich
will nicht sterben, Daganya."
Ein Zucken glitt über ihr Gesicht. Ein Blick von verzehrender
Angst oder von Unglauben traf mich; ein schwer zu deutender Blick.
Ich würde ihn niemals vergessen. Dann ging ein kurzer Windstoß
durch die Kronen der Bäume, und Daganya riß sich los, lief
bis in die Nähe des Gespanns und blieb dort liegen. Ich fühlte,
daß meine Selbstbeherrschung Stück um Stück
abbröckelte wie eine morsche Planke ... aber ich konnte nicht
anders.
Zurück! Du bist nicht der Herrscher dieses Planeten! Deine
Arbeit ist erfüllt! Ich gehorchte meinen Gedanken, den
erbarmungslosen Partnern der Vernunft.
Die leblose Stille meiner Tiefseekuppel nahm mich auf. Wie stets
nach diesen herzzerreißenden Abschieden flüchtete ich
mich. Da eine Flucht nur eine einzige Richtung zuließ flüchtete
ich in den Schlaf. In einen Schlaf, der Jahrhunderte dauerte.
Der letzte Eindruck:
Ein Gesicht, von schwarzem Haar umgeben, das sich über mich
beugte und sinnlose Worte murmelte. Daganya flüsterte, und mit
Hilfe von Medikamenten, Kälte und den Impulsen meiner Maschine
glitt ich unmerklich in den erlösenden Schlaf. Als ich
eingeschlafen war, entnahmen die Maschinen meinem Gedächtnis die
bewußten und unbewußten Informationen und speicherten
sie.
Daganya schreckte auf, als die Tiere scheuten und stehenblieben.
Auf der Straße vor ihr, direkt vor den Schädeln der
Zugtiere, stand eine Gestalt. Daganya hob die Peitsche, aber dann
erkannte sie Kishurra. Sie glitt aus dem Wagenkorb, hielt die Zügel
fest und ging langsam auf den Feldherrn zu. „Kishurra!"
sagte sie eindringlich. „Hier? Wen suchst du?"
Er schwankte, und als er eine unbedachte Bewegung machte, fiel die
leere Ziegenhaut aus seiner Hand. Der
Feldherr war sinnlos betrunken und stank nach Schweiß und
Wein. „Shar-Atlan. Wo ist er ... dieser ...?"
Sie griff nach seinem Arm und zog ihn mit sich.
„Er ist fort. Er kommt nicht mehr wieder."
Kishurra schlug seine Stirn gegen den Wagenkorb und wimmerte
leise. Dann fuhr er herum und schrie:
„Und wir? Seine Freunde? Er hat uns allein gelassen wir sind
einsam!"
Sie brachte ihn dazu, neben ihr in den Wagenkorb zu steigen. Er
hielt sich mit einer Hand an dem Geflecht fest, mit dem anderen Arm
zog er Daganya an sich. Ein trockenes Schlucken schüttelte
seinen Körper.
„Glaube mir", erwiderte das Mädchen. „Er ist
viel einsamer als wir."
Kishurra nickte schwer und schwankte bei jeder Bewegung des Wagens
wie ein Schilfstengel.
10.
CLYNTH:
Ghislaine Cordelier, das langhaarige Mädchen, kauerte neben
dem weißhaarigen Mann, der aus dem tiefen Trancezustand langsam
wieder auftauchte, Stufe um Stufe auf dem Weg zum vollen Bewußtsein
zurücklegte. Ghislaine sah wie in einer scharfen Vergrößerung
jede Linie des Gesichtes. Das Netz von Falten, das von den
Augenwinkeln ausging und sich in die Richtung der Schläfen und
der Jochbeine fortsetzte. Die Kerben zwischen Nase und Mund. Der Mund
er war an den Enden heruntergezogen, und das Gesicht erhielt dadurch
einen Ausdruck der Bitterkeit. Langsam entspannten sich die Züge.
Atlan holte tief Atem. Sein Zellaktivator bewegte sich.
Er öffnete die Augen.
„Ja", murmelte er. „So war es."
Sie nickte; ihr fehlten die entsprechenden Worte.
„Ich fühle mich scheußlich", sagte Atlan.
„Hast du zufällig etwas zu
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