PR TB 094 Die Zeitmauer
normal zu sein. Ich weiß nicht, was es ist. Vielleicht
nur ein Gefühl, nicht mehr."
„Zwei Zehntel über LG", stellte Targot Fall fest,
ohne auf die Unterhaltung einzugehen. „Alles in Ordnung bei
dir, Berenda?"
„Alles in Ordnung. Wir beschleunigen jetzt auf zwei LG."
Ein wenig später löste Berenda Rex an den Kontrollen ab.
Rex zog sich in die kleine Küche zurück und legte sich dann
in seiner Kabine aufs Bett. Zuviel Fragen stürmten aus dem
Unterbewußtsein auf ihn ein, und er begann sich erneut Gedanken
darüber zu machen, ob einer seiner Vorfahren schon einmal mit
einem Raumschiff durch das Universum geflogen war. Wenn es wirklich
diese Gen-Erinnerung gab, dann bekam er sie
jetzt deutlich zu spüren. Ihm war als bohre jemand in seinem
Gehirn, um Antworten auf nicht gestellte Fragen zu erhalten.
Er ahnte nicht, wie sehr Ellert sich bemühte, keine Fragen zu
stellen und tief in seinem Unterbewußtsein verborgen zu
bleiben.
Endlich schlief Rex ein.
Targot Fall und Berenda tauschten hin und wieder wissenschaftliche
Bemerkungen aus; der Interkom blieb pausenlos eingeschaltet, damit
eine direkte Verbindung zwischen den beiden Männern bestand.
Shen Ghol saß ruhig in einem der bequemen Sessel und widmete
sich der Beobachtung der Sterne. Perex fesselte seine ganze
Aufmerksamkeit.
Der Stern stand wie eine Nova in der Mitte des Bild
schirms. Mit dem Teleskop war die Kugelform bereits zu erkennen,
aber Shen konnte keine Lichtpünktchen entdecken, die vielleicht
Planeten hätten sein können.
Besaß Perex etwa keine Planeten?
Das wäre eine furchtbare Enttäuschung gewesen, wenn
Perex auch nur ein Zweck des Fluges sein sollte. Aber Planeten und
eventuell Leben auf ihnen hätten auch Faro Pantha überzeugen
müssen, daß Raumflüge nicht nur einem
wissenschaftlichen Zweck dienen konnten, sondern auch kulturelle und
sogar finanzielle Vorteile haben würden. In einem Universum
voller Sonnen und Planeten konnte auf die Dauer keine Welt für
sich allein existieren, ohne der Stagnation zu verfallen.
Das würde auch der Wissenschaftsrat einsehen müssen.
Nach einem letzten Blick auf die Kontrollen stand Targot Fall auf
und kam zu ihm.
„Nun, noch immer nichts?" erkundigte er sich mit einem
Blick auf die Instrumente, die mit dem Teleskop gekoppelt waren.
„Nichts - bis j etzt."
„Wir haben bald die anderthalbfache Lichtgeschwindigkeit -
und werden immer schneller. Helos ist nur noch ein schwacher
Lichtpunkt."
„Wenn wir noch schneller werden, wird er bald noch kleiner
sein - und schwächer. Wir überholen sein
Licht." Shen Ghol deutete auf die Uhr an der
Instru-mentenwand. „Ob sie noch richtig geht?" Targot Fall
lächelte.
„Für uns im Schiff sicherlich. Alles andere werden wir
erst wissen, wenn wir zurückgekehrt sind. Wir sind eine kleine
Welt für uns, inmitten eines unermeßlich großen
Universums. Und dieses Universum wiederum ist nur der winzige Teil
eines anderen, größeren. Und das wiederum ist unendlich
weit."
„Einmal muß Schluß sein!"
„Warum?"
Shen Ghol zögerte. Dann sagte er:
„Ich habe oft darüber nachgedacht, was Unendlichkeit
und Ewigkeit sind, es aber niemals gedanklich erfassen können.
Nur manchmal, besonders in meiner Jugend, gab es
Augenblicke, da begriff ich es - aber ich begriff es nur für
Sekunden. Ich sah alles vor mir, fiel durch das Ewige und Unendliche,
konnte den Begriff der Ewigkeit fast greifen -und wenn ich dann
zugriff, wich alles von mir zurück und verschwand im Strom der
Zeit. Ich stand wieder da, unwissend wie ein Kind, nur das Reale und
Sichtbare begreifend. Ich weiß nicht, Targot, ob Sie dieses
Gefühl auch kennen, dieses plötzliche Wissen, daß wir
im Grunde gar nichts wissen ..."
„Ich kenne es, Shen, ich kenne es nur zu gut. Jene Sekunden,
in denen sich unser Geist öffnet, sind mir bekannt. Sie sind es
sogar, auf die ich immer wieder gewartet habe, aber je älter wir
werden, desto seltener dürfen wir sie erleben. Allein das ist
ein Rätsel, das mich mein Leben lang beschäftigt hat. Es
gibt keine Erklärung dafür, wir können nur dankbar
sein, wenn wir sie überhaupt erleben. Und wir müssen
versuchen, aus ihnen zu profitieren. Wir wissen niemals, wann die
Sekunden der Erkenntnis und des vollen Begreifens zu uns kommen, aber
wie müssen ständig auf sie vorbereitet sein. Wenn wir es
lernen, das in diesen wenigen Augenblicken Erschaute zu behalten,
dann wächst unser Wissen um ein Tausendfaches. Wir lernen in
solchen Sekunden mehr als
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