PR TB 094 Die Zeitmauer
als er in sie
hineinfiel, rasend schnell und unkontrolliert. Dabei hörte sie
auf, sich sichtbar zu drehen. Die Bewegung durch die Zeit hörte
auf. Nun kam es nur noch darauf an, die Ortsbestimmung vorzunehmen.
Südseite, Spiralarm, Sol...
Das Sonnensystem, die Erde ... dritter Planet.
Ellert konnte nichts mehr tun, nichts mehr steuern, nichts mehr
verhindern. Wenn er sich verschätzt hatte, mußte er ganz
von vorn anfangen. Er konnte froh sein, die Erde überhaupt
wiedergefunden zu haben.
Es war ein kleines Zimmer, mehr eine ausgebaute Dachkammer mit
einigem Komfort.
Auf der breiten Couch saß mit übergeschlagenen Beinen
ein Mann mit langen Haaren und bemalte die Tapete mit künstlerischen
Skizzen. Es waren utopische Motive. Neben ihm hockte ein anderer und
leerte ein Glas mit grünen Oliven. Gelangweilt sah er zu, wie
der Maler die Tapete bekritzelte.
Ein dritter und vierter Mann unterhielten sich lebhaft, während
ein fünfter schlafend in einem Sessel lag und sich nicht rührte.
„Totaler Unsinn, Aarn!" schimpfte der behäbigere
der beiden Gesprächspartner. „Wenn der Ellert nicht
spinnt, will
ich nicht mehr Frettel heißen! Redet dauernd von Raum und
Zeit, will mit der Ewigkeit manipulieren, unternimmt vergeistigte
Zeitreisen oder so einen Blödsinn - und dann schläft er
glatt im Sessel ein, während wir darüber diskutieren."
„Das hat nichts damit zu tun, daß es nicht möglich
wäre", gab Aarn zu bedenken und winkte in Richtung der
beiden Freunde auf der Couch. „Meister Klecksel wieder am Werk,
was? Ellert wird sich freuen, wenn er wach wird."
Jonny, der Grafiker, warf Aarn einen bitterbösen Blick zu,
gab aber keine Antwort. Lothar aß weiter an seinen Oliven.
Der Mann im Sessel gähnte, schlug die Augen auf und sah sich
verwundert um. Als er Frettel und Aarn erkannte, wurde er blaß.
Mit einem Ruck setzte er sich aufrecht.
„Was ist passiert?" fragte er erschrocken.
Aarn schüttelte den Kopf.
„Du hast geschlafen, das ist alles. Deine Gäste haben
dich ermüdet - kein Wunder bei den verrückten Themen, die
sie haben."
Ellert richtete sich ganz auf. Mit verwunderten Augen betrachtete
er seine Wohnung, als sähe er sie zum erstenmal
- oder zum erstenmal wieder.
„Ich muß geträumt haben", sagte er
schließlich und sah hinüber zur Wand, wo der Kalender
hing.
Es war Freitag, der 11. Juni.
Klubabend in seiner Wohnung!
Eine Woche vor jenem denkwürdigen Termin, an dem er seinen
Freunden mitteilte, daß er die einmalige Gabe der
Teletemporation besitze und mit seinem Bewußtsein in die
Zukunft reisen könne.
Wochen, bevor er Perry Rhodan begegnete und Mitglied des
Mutantenkorps wurde.
Monate vor jenem Ereignis, das seinen Geist von seinem Körper
trennte und mit dem seine Reise durch die Ewigkeit begann.
Er hatte sich wiedergefunden, aber zu früh!
„Was hast du denn geträumt?" fragte Jonny und
hörte auf, an der Wand herumzumalen.
Ellert schüttelte den Kopf.
„Ich werde es euch nächste Woche erzählen. Es ist
auch schon spät. Es wäre nett, wenn ihr mich heute mal ein
wenig früher als sonst verlassen würdet. Ich bin müde."
„Er ist müde, dabei hat er mindestens eine halbe Stunde
fest geschlafen." Frettel sah auf die Uhr. „Aber ich muß
auch nach Hause. Also nächste Woche, Ernst! Vielen Dank für
heute ..."
Ellert blieb allein zurück.
Eine halbe Stunde also ... und was alles hatte er inzwischen
erlebt? Allein zweimal hatte er eine ganze planetarische Entwicklung
mitgemacht, wurde Zeuge der Entstehung der Galaxis und ihrer
Sonnensysteme, hatte das Ende der Zeit gesehen und ...
Eine halbe Stunde - tausend Ewigkeiten!
In einer Woche würde alles beginnen, und er wußte es.
Er kannte die Zukunft. Er kannte sein Schicksal, aber er würde
es nicht ändern können.
Sein unsterbliches Leben war ein Kreis ohne Ende und Anfang.
Ein Kreis, der sich endgültig geschlossen hatte.
In dieser Woche noch begannen die Vorbereitungen für den
Start Perry Rhodans zum Mond ...
ENDE
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