PR TB 108 Der Arkonide Und Der Sonnenkönig
Bett lag eine winzige, zusammengeschrumpfte
Gestalt. Als wir eintraten, öffnete Antoinette de Droyden die
Augen. Sie wirkten in dem faltigen, ausgezehrten Gesicht riesengroß.
Der Blick war verstört.
»Atlan!« flüsterte Antoinette.
Die Dienerin begann wieder zu weinen, stellte die Laterne ab, nahm
den Kerzenhalter und verließ das Zimmer. Ich näherte mich
langsam dem Bett. Ich war kein Arzt, aber ich merkte, daß die
Freundin nicht mehr lange zu leben hatte.
»Ich bin noch einmal gekommen«, sagte ich leise,
setzte mich auf einen Stuhl neben das Bett und ergriff ihre Hand, »um
mich von Euch zu verabschieden, Antoinette. Es ist ein wehmütiger
Abschied.«
Den Aktivator, du Narr! schrie mein Extrasinn. Ich begriff und
lächelte. Daran hatte ich nicht gedacht. Das Gerät konnte
auch keine Wunder wirken, aber vielleicht konnte ich ihr die letzten
Stunden etwas erleichtern. Ich öffnete mein Hemd, zog den
Aktivator über den Nacken und hängte ihn der alten Frau um.
»Es wird der letzte Abschied sein!« sagte sie nach
einer Weile. Das Gerät schien ihr Befinden in verdächtiger
Eile zu bessern. Der rasselnde Atem beruhigte sich, die bläuliche
Farbe der Lippen wich, die Todkranke richtete sich auf.
»Wie geht es den vier Freunden?« erkundigte sie sich
nach längerem Schweigen.
Ich berichtete ihr vom Verschwinden Diannot de Jaras, der über
die Holländer gesiegt hatte, von der geplanten langen Reise
Beatrix’, vom spurlosen Verschwinden Royer Arcolas und davon,
wie Tairi gestorben war und mich auch Dié zusammen mit Jean
verlassen hatte.
»Nun bist du allein, Atlan!« sagte sie und atmete
freier. Der Aktivator wirkte ausgezeichnet. Aber trotzdem würde
er ihren Tod nicht aufhalten können. »Ein Wunder, dieses
Amulett«, sagte sie später. »Ich fühle mich
ohne Schmerzen, als ob ich fliegen könnte.«
Wir unterhielten uns über Versailles und den neuen König,
dessen hervorstechendes Merkmal seine Verschwendungssucht und eine
Ebbe in Frankreichs Kasse waren. Die alte Frau wurde müder und
müder.
»Ich werdejetzt schlafen«, sagte sie. »Du gehst
zurück in dein Versteck?«
»Ja«, entgegnete ich ruhig. »Ich werde auch
schlafen, Antoinette. Länger als Ihr. Aber nicht so tief.«
Ich küßte sie zum Abschied auf die Stirn. Sie schlief
ein. Als ich nach einer Stunde keinen Pulsschlag mehr spürte,
nahm ich den Aktivator von ihrem Hals und schob ihn wieder unter mein
Hemd.
Auch die letzte Verbindung zu diesem Land und zu den Menschen war
gerissen wie ein dünner Faden. Ich , stand auf, nahm das Tablett
mit dem Essen und die Laterne und verließ das Zimmer.
Inzwischen warteten in der Halle die meisten anderen
Familienmitglieder.
Wir unterhielten uns bis zum Morgen. Erst nach dem Frühstück
sagte ich ihnen, daß Antoinette tot war.
Mein Abschiedsgeschenk an Herrn von Droyden war die kleine Waffe
und eine Menge von Patronenmunition.
Dann trat der Gleiter seinen letzten Flug an.
*
Auch die Rückkehr im frühen achtzehnten Jahrhundert war
nicht anders mehr als ein Dutzend ähnlicher Geschehnisse.
Rico empfing mich, und wir packten alle »Andenken« aus
und stellten sie in das kleine, improvisierte Museum meiner Kuppel.
Die gewonnenen Erkenntnisse und mein persönlicher Bericht wurden
auf die Bänder der Maschinen gesprochen, desgleichen die vielen
Musikstücke, die von den ausgezeichneten Mikrophonen der
Robotspione aufgenommen worden waren. Bilder und die Zeichnungen
meiner »Erfindungen« wurden gespeichert. Als ich die
vielen Aufnahmen von
Tairi wieder sah, hatte ich es plötzlich sehr eilig, wieder
in den biologischen Tief schlaf zu fallen.
»Du wirst warten müssen, Gebieter«, sagte Rico
mit seiner unmodulierten Stimme. »Lange warten. Bis die
Barbaren ein eigenes Raumschiff bauen können, werden
Jahrhunderte vergehen.«
»Und es ist zweifelhaft, ob in dieser Zeit wieder jemand
hier landet. Diese kosmischen Vagabunden ... sie haben ihr Schiff
zerstört, weil es ihnen hier so gut gefiel. Das werde ich
niemals begreifen können.«
Und wieder lief das Programm der Vorbereitungen an.
Die Maschinen bereiteten mich vor, entkleideten mich, legten mich
auf die flache Liegestatt und schläferten mich endlich ein. Das
Abenteuer Versailles war zu Ende.
15.
Atlan fühlte sich, als er seine alte Umgebung wieder
wahrnahm, als sei er aus einem tiefen Traum erwacht. Aus einem
Alptraum, der ihm nicht die Erholung des Schlafes gegeben, sondern
ihn ausgelaugt und erschöpft hatte. Seine Kehle war trocken,
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