PR TB 130 Insel Der Bewährung

noch ehe sie es sahen.
    Holz bewegte sich knarrend gegeneinander. Scharfe Kommandos waren
von fern zu hören, aber nicht zu verstehen. Schwere Tritte
dröhnten auf Holzplanken. Dann das reißende Geräusch
zerstörter Pflanzen. Schließlich schob sich eine
erstaunliche Konstruktion zwischen den Bäumen hervor und näherte
sich auf dem schlammigen Weg. Es war ein riesiges Rad.
    „Nein!" stöhnte Yantro auf. dann stützte er
sich auf die Knie und starrte dem näher kommenden Gerät
entgegen.
    Es war schätzungsweise fünfundzwanzig Meter hoch; ein
Rad vom gleichen Durchmesser, aus gekreuzten Balken, Bohlen und
Brettern zusammengesetzt, die ihrerseits mit dicken Schrauben, Bolzen
und Scheiben gehalten wurden. Die Dicke dieses aufrecht laufenden
Rades betrug nicht mehr als vier Meter. Die Nabe war rund drei Meter
dick, und aufbeiden Seiten des Rades hingen längliche Häuser
herunter, die vier oder fünf Meter über dem Boden endeten.
Lange Stützanker aus Holz schleiften auf Kufen nach; sie trugen
schwere Dornen, die an Seilzügen ein- und ausgefahren werden
konnten und so das Rad auf der jeweils gewünschten Seite
bremsten. Der Antrieb entrang Ariete und Yantro ein Stöhnen.
    „Unfaßbar!"
    Ächzend und knarrend bewegte sich das Rad näher. Es lief
auf einer Felge, die nicht völlig eben war, sondern in der Mitte
leicht erhöht. Dicke Balken bildeten ein Profil; Bretter
dazwischen verhinderten das tiefe Einsinken in den Boden

    und bewirkten, daß die Auflagekraft im Verhältnis
Kilopond zu Quadratzentimeter günstig sein mußte. Eine
zweite, innen liegende Felge war als Tunnel ausgebildet. Dort ging
langsam ein schwarzes, saurierähnliches Tier vorwärts und
leicht bergauf. Durch sein Gewicht verlagerte es den Schwerpunkt; das
Rad drehte sich unablässig vorwärts. Injeweils drei
Kanzeln, die an den hängenden Häusern angebracht waren,
standen bewaffnete Männer mit langen Bögen und Blasrohren.
Knarrend und rumpelnd rollte das Rad auf die beiden Wartenden zu, kam
auf gleiche Höhe und glitt vorbei und, aus dem Sichtbereich.
„Etwa vierzig Mann Besatzung, ein Saurier als Antrieb, ein
laufendes Rad mitten im Urwald ... das müssen ganz besonders
kranke Ausgesetzte sein, Ariete!" sagte Yantro leise. „Gehen
wir hinunter. Vielleicht nimmt uns das nächste Gespann auf!"
    Sie flüsterte:
    „Es ist weniger die Gefahr, die ich fürchte, sondern
ich habe Angst vor dem Augenblick, in dem ich vollkommen wahnsinnig
werde. So bewegt sich doch niemand fort! Das stammt aus einem
Märchenbuch, Yantro!"
    Er zog sie hoch und legte die Arme um sie.
    „Keiner wird wahnsinnig!" sagte er scharf. „Wir
sehen uns nur einer manipulierten Realität gegenüber. Wir
werden noch auf mehr Seiten eines Märchenbuches stoßen.
Komm, wir müssen versuchen, ein Ziel zu erreichen!"
„Welches?"
    „Keine Ahnung. Einfach ein Ziel."
    Sie stiegen vorsichtig den Abhang hinunter. Als sie fast das Band
des Weges erreicht hatten, hörten sie die Geräusche des
nächsten Rades, dasjenseits der Biegung heranrollte.
Gleichzeitig erscholl aus dem Gebüsch hinter ihnen, das sie eben
verlassen hatten, wieder der Schrei desjagenden Raubtiers. Es befand
sich auf ihren Spuren. Yantro zuckte zusammen und schob das Mädchen
vor sich, dann steckte er die Streitaxt in den Gürtel und zog
seine Waffe. Er zögerte einen Augenblick und wählte den
Paralysatorlauf. Plötzlich fröstelte ihn. Das Gelände
war unübersichtlich, und auch die Leute in den Rädern
konnten ihnen gefährlich werden. Wieder ein Schrei. Das Rumpeln
und Knarren kam näher. Jetzt hörte er auch die keuchenden
Atemzüge des Sauriers in der Tretmühle. Sie sprangen und
rutschten die letzten Meter des Hanges hinunter und standen dann am
Rand des Weges auf einer Steinplatte, die der Druck eines Rades
schräg aus dem Boden getrieben hatte.
    „Du paßt auf das Rad auf!" entschied Yantro. „Ich
kümmere mich um das Tier." Er wandte sich um. Eine
langgestreckte Gestalt glitt, orangefarben mit schwarzen Streifen und
Punkten, durch die Zweige, dicht auf den Boden geduckt. Yantro hob
die Waffe und drehte die Rändelschraube aufMaxi-mum. Unter
seinen Füßen bewegte sich die Steinplatte. Yantro sprang
mit einem Satz seitwärts auf ein Stück Moos. Dann erstarrte
er; zwischen ihm und Ariete schoß ein dreieckiger Kopf zwischen
den Büschen hervor. Zwei funkelnde Augen

    starrten ihn an, dann öffnete sich ein riesiger Rachen. Ein
großer, dunkelroter Fleck war am Hals des Tieres. Eine Bahn
getrockneten