PR TB 130 Insel Der Bewährung

schliefen rund zehn Menschen. Mehrere von
ihnen schnarchten so laut, daß sie die Geräusche des
drontenden Rades übertönten.
    Die gegenüberliegende Seite war ebenso ausgerüstet. Nur
befanden sich im untersten Raum eine weitaus größere
Waffenkammer und ein Magazin, in dem Nahrungsmittel gestapelt waren
und Werkzeuge.
    Schließlich blieben sie beim Steuermann stehen, der in einer
kleinen Kammer unterhalb der Kombüse saß - eine andere
Steuerkammer war auf der gegenüberliegenden Seite.
    „Woher weißt du, Heron, daß wir morgen abend den
Tempel erreichen werden?"
    Heron sah auf seinen Krängungsmesser, auf den Schrittzähler
und die kleinen Geräte, die über die Lage des Rades
wachten. Er ließ die Hebel, die zu Flaschenzügen und
Transmissionen führten, nicht aus den Fingern, als er erwiderte:
    „Eine unserer wenigen Informationen besagte, daß die
Reise dreizehn Tage dauern wird. Heute ist der zwölfte Tag."
    „Mehr kannst du uns nicht sagen?"
    „Nein, denn könnte ich es, wüßte ich selbst
mehr. Ein Umstand, der meinen Seelenfrieden retten könnte!"
sagte Heron mürrisch.
    Das Rad drontete weiter. Die Sonne fiel dem Horizont entgegen, die
schnelle Dämmerung beendete den Tag. Nach dem Essen - das
Karchel wurde in Holzschüsseln serviert, die getrecte Keuze
erwies sich hingegen als eine Art nahrhafter Salat aus Blütenblättern
- benutzten neun-undvierzig Pilger die Bäder nacheinander.
Schließlich, als sich Ariete und zuletzt Yantro reinigten,
wurde der Saurier mit verbundenen Augen in den Dschungel getrieben
und

    angepflockt. Die Frauen und Männer dieses Rades knüpften
ihre Hängematten zwischen die Speichen des Rades und schliefen
bald. Man hatte eine kleine Wache aufgestellt, die alle zwei Stunden
abgelöst wurde.

6.
    Die Form des Tempels war ebenso eindrucksvoll wie einfach; auf
einem kleineren, zylindrischen Sockel saß ein weitaus größerer,
etwa hundert Meter hoher zweiter Turm, ebenfalls zylindrisch. Das
Ganze war schwarz und befand sich in einer Sandfläche, die
völlig eben war und drei oder vier Kilometer durchmaß. Der
Turm warf einen ungeheuren Schatten im Abendlicht. Ebensolche
Schatten, nur weitaus interessanter, warfen die vier Räder, die
ohne rechte Ordnung zwischen dem Rand des Dschungels und dem Turm auf
ihren Stützbalken und Ankern ruhten und durch ausgespannte Taue
gesichert wurden. Kein Baum, kein Busch, nur einzelne Menschengruppen
waren zu sehen. „Überwältigend und etwas krankhaft,
dreidimensional und in den Farben des Abendrotes!" stellte
Yantro fest. Er saß unterhalb der Felge des Rades, hielt sich
mit einer Hand an einem Speichenbalken fest und zog mit der anderen
Ariete an sich.
    „Ein neuer Knotenpunkt also!" sagte sie. Sie
schienjetzt das Stadium erreicht zu haben, das Yantro Addaura schon
vor einigen Tagen hinter sich gelassen hatte. Sie wartete auf eine
Reihe Wunder am laufenden Band. Den anderen Menschen erging es
hingegen nicht so: sie waren von dem, was sich hier vor ihnen
enthüllte, hoffnungslos in Bann geschlagen.
    „So weit, so gut. Bis hierher hat uns das Schicksal gnädig
an der Hand geführt", murmelte Ariete. „Gleichzeitig
bescherte es mir einen gutaussehenden und mutigen Gefährten und
Liebhaber, der in der anderen Welt vermutlich Filterreiniger von
Raumschiffen war."
    Yantro grinste.
    „Mit der Geschwindigkeit, mit der zumindest ich dieses Reich
der Phantasie durcheile, war ich vermutlich die rechte Hand eines
bedeutenden Chefs oder gar dieser Chef selbst. Je länger die
Sache dauert, desto sozial tiefer stehen die Patienten."
    „Du wärest kein Mann, wenn du nicht diese Antwort
gegeben hättest!" erwiderte Ariete. „Was tun wir?"
    „Ich schlage vor, wir schlafen aus und essen die
angebrannten Reste des Karchels. Morgen früh dringen wir in den
schwarzen Tempel ein."
    „Zugegeben, dieser Vorschlag klingt verlockend."
    „Ein erster, flüchtiger Spaziergang zum Tempel wäre
für mich auch verlockend", entgegnete Yantro. „Darf
ich dich einladen? Ich helfe dir auch von der Speiche herunter."
    Ariete lachte und streckte die Hand aus.

    „Einer meiner Anbeter sagte einmal, ich sei ein Mädchen,
mit dem man am liebsten Hand in Hand durch einen taufeuchten Park
laufen möchte. Undjetzt muß ich Strickleiternbenutzen."
    Yantro begann schallend zu lachen und erklärte:
    „Für mich bist du mehr der Typ von Mädchen, mit
dem zusammen man liebend gern Austern schlürft."
    Sie verließen ihre Plätze, kletterten durch das
senkrechte Labyrinth