PR TB 132 Projekt Pandora
geschah.
Er schaltete die automatische Steuerung aus, bremste, steuerte und
betätigte gleichzeitig das Horn. Ein röhrender Laut hallte
über die regennasse Fahrbahn.
Chenia blieb stehen.
»Halt!« flüsterte der Arzt fassungslos. Dann
sprang er auf die Fahrbahn hinaus, ergriff den Arm der Frau und zog
sie zu sich heran. Ihr Arm fuhr herum, die Handkante sauste waagrecht
durch die Luft und traf ihn genau unter das Kinn. Tanis taumelte
zurück.
Der Gleiter bremste mit kreischenden und rauchenden Absorbern ab.
Seine Geschwindigkeit war zu hoch, und er raste schlingernd auf das
Mädchen und den Mann zu. Dann schaltete der Pilot die
Prallfelder aus.
Der tonnenschwere Zug sackte fast einen halben Meter tiefer. Der
Kiel und die verdeckten Projektoren krachten herunter auf das nasse
Plastik. Der Pilot zog die schwere Maschine weiter nach links, auf
die nächstinnere Spur, und rammte ein kleines Taxi, das ihn
gerade überholte. Splitternd und funkensprühend schlitterte
der Gleiter schräg an den beiden kämpfenden Menschen
vorbei, schleuderte in einer langgezogenen Zickzackkurve zurück
auf die rechte Bahn und schob die Bausteine der Abgrenzung vor sich
her wie eine Bugwelle.
Tanis bekam die Handgelenke Chenias zu fassen, zog die Frau zu
sich heran und erhielt einen Tritt gegen das Schienbein, der ihm vor
Schmerz die Luft raubte. Die Frau kämpfte wie eine Raubkatze,
bekam ihre Arme frei und rannte weiter. Zwei weitere Gleiter wurden
zu riskanten Manövern gezwungen und schrammten mit den Flanken
gegeneinander.
Wieder bremste ein Lastengleiter.
Hinter ihm verhüteten nur die Abstandradaranlagen der
kleineren Maschinen ein Chaos mit Verletzten und Toten.
Überall ertönten Hörner und Signalanlagen. In dem
Augenblick, als
Chenia sich selbstmörderisch über den trennenden
Grünstreifen auf die Gegenfahrbahn stürzte, hechtete der
Arzt mit letzter Kraft nach vorn und schlang seine Arme in Kniehöhe
um die Beine der Frau. Sie stürzten beide ins nasse Gras.
Dann schwebte der Luftgleiter der Anstalt über die Mauer. Er
kam schnell näher und hielt genau über den beiden Personen,
die sich wie die Tiere im Gras wälzten.
»Doktor! Vorsicht!« rief eine helle Stimme.
Dann, durch das Hupen und die Bremsgeräusche hindurch, hörte
Tanis den krachenden Schuß eines Paralysators. Gleichzeitig
streifte der Schuß seinen linken Oberarm und traf Chenia voll
in die Brust.
»Das. war knapp!« murmelte er und schloß die
Augen.
Ein Luftgleiter der Verkehrspolizei raste heran und sperrte die
Unfallstelle ab. Aus dem Gleiter der Klinik sprangen Schwestern und
Pfleger heraus und schleppten Tanis und Chenia mit den Bahren in den
Laderaum.
Und als sich der Gleiter der Klinik langsam hob und zurückflog
zu seinem Platz hinter der Mauer, atmete Tanis langsam ein und aus.
»Wir haben in letzter Sekunde das Schlimmste verhindern
können, Doktor Cloke!« sagte eine dunkle Stimme.
Tanis öffnete die Augen und richtete sich halb auf. Er nickte
und sagte leise:
»Im letzten Sekundenbruchteil. Der Tag fing schon schlecht
an.«
Der Pfleger zündete eine Zigarette an und gab sie dem Arzt.
Tanis rauchte ein paar Züge und spürte, daß der
Gleiter landete. Er warf einen nachdenklichen Blick auf die junge
Frau, die auf der Bahre angeschnallt neben ihm lag und ruhig atmete.
Ihr Gesicht sah jetzt friedlich und auf eine eigenartige Weise schön
aus.
»Ruthven!« murmelte Tanis. »Ausgerechnet immer
wieder Ruthven. Das ist meine persönliche Niederlage.«
Dann wurde seine Stimme härter.
»Wie konnte sie ihre Zimmer verlassen? Was ist passiert?«
fragte er schroff.
»Wir wissen es noch nicht. Aber gestern hat sie eine halbe
Stunde lang auf Band gesprochen.«
Tanis starrte das gutmütige, breite Gesicht des Pflegers an.
Dann erkundigte er sich unendlich verblüfft:
»Sie hat gesprochen?«
»Vermutlich, weil sie dachte, daß dies ihr letztes
Lebenszeichen sein würde«, bestätigte der Pfleger
leise. »Kann ich Ihnen helfen?«
Wortlos schüttelte Tanis den Kopf.
Beide Bahren wurden eingeschaltet, und man dirigierte sie, nachdem
sie das vorspringende Schutzdach passiert hatten, in verschiedene
Richtungen. Zwei Stunden später saß Doktor Tanis Cloke auf
seinem
Sessel hinter dem Schreibtisch und hielt die schwere, große
Kaffeetasse in beiden Händen. Der Kaffee roch stark nach
Calvados.
»Und jetzt erbitte ich Ihren Bericht, Schwester!«
sagte er leise. Er begann zu ahnen, daß er vielleicht einen
Fingerzeig erhalten hatte. Einen
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